Gesellige Phononen
Hong-Ou-Mandel-Effekt erstmals mit Schwingungsquanten beobachtet.
Mechanische Schwingungen von Ionen, die in Ionenfallen festgehalten werden, sind quantisiert. Dass ihre Schwingungsquanten oder Phononen gesellige Bosonen sind, konnten jetzt japanische Wissenschaftler mit einem grundlegenden Experiment nachweisen. Die Forscher um Kenji Toyoda von der Universität von Osaka haben erstmals ein Hong-Ou-Mandel-Experiment mit Paaren von Phononen durchgeführt. Beim ursprünglichen HOM-Experiment gelangen zwei Lichtquanten mit gleicher Energie und Polarisation, aber aus unterschiedlichen Richtungen kommend, gleichzeitig in die beiden Eingangskanäle eines 50:50-Strahlteilers. Somit hat jedes Photon eine Chance von fünfzig Prozent, einen der beiden Ausgangskanäle zu nehmen. Da die ununterscheidbaren Lichtquanten Bosonen sind, stimmen sie sich perfekt ab und nehmen beide stets denselben Kanal.
Abb.: Die Wahrscheinlichkeit, dass das zu Schwingungen angeregte Ion ein Phonon trägt (oben), nimmt mit der Zeit periodisch zu und ab, da das Phonon zwischen den beiden Ionen wandert. Der rote Strich markiert den Zeitpunkt, zu dem der 50:50-Strahlteiler vorliegt. Die Phononenkoinzidenz ist die Wahrscheinlichkeit, dass beide Ionen je ein Phonon tragen (unten). Sie ist zu dem markierten Zeitpunkt Null und zeigt dort einen HOM-Dip. (K. Toyoda et al. / NPG)
Erst kürzlich gelang französischen Forschern ein HOM-Experiment mit bosonischen Helium-4-Atomen. Passierten zwei Atome gleichzeitig einen aus Lichtwellen gebildeten Atomstrahlteiler, so schlugen auch sie stets übereinstimmende Wege ein. Die Wahrscheinlichkeit für unterschiedliche Wege war somit Null. Kamen sie hingegen zu unterschiedlichen Zeiten beim Strahlteiler an, so waren sie mehr oder weniger gut unterscheidbar. Daraufhin nahm die Wahrscheinlichkeit für unterschiedliche Wege mit der Zeitdifferenz zu und zeigte ein ausgeprägtes Minimum, den „HOM-Dip“.
Da Phononen ebenfalls Bosonen sind, sollten auch sie sich in einem HOM-Experiment miteinander abstimmen und einen HOM-Dip zeigen. Doch wie erzeugt man den benötigten Strahlteiler für die Schwingungsquanten? Toyoda und seine Kollegen fanden eine clevere Lösung gefunden. Zunächst brachten sie zwei einfach geladene Kalzium-40-Ionen in eine lineare Paul-Falle. Die Ionen, deren Abstand 24 Mikrometer betrug, konnten senkrecht zur Achse der Falle mechanische Schwingungen mit einer Frequenz von etwa drei Megahertz ausführen. Dabei waren die Schwingungen der beiden Ionen schwach miteinander gekoppelt.
Diese Kopplung wurde sichtbar, als die Forscher zunächst beide Ionen in ihren Schwingungsgrundzustand abkühlten und dann eines der Ionen durch abgestimmte Laserpulse in einen Schwingungszustand mit einem Phonon anregten. Daraufhin warteten sie für eine variable Zeitspanne und stellten dann durch Fluoreszenzmessung fest, mit welcher Wahrscheinlichkeit sich das angeregte Ion noch in seinem Ausgangszustand befand. Erwartungsgemäß zeigte diese Wahrscheinlichkeit gedämpfte kosinusförmige Oszillationen in Abhängigkeit von der gewählten Zeitspanne. Das Phonon war zwischen den gekoppelten Ionen hin und her gewandert. Zu einem bestimmten Zeitpunkt befand es sich mit gleicher Wahrscheinlichkeit auf beiden Ionen, sodass hierdurch ein 50:50-Strahlteiler realisiert war.
Sodann regten die Forscher beide Ionen zu Schwingungen mit jeweils einem Phonon an und ließen die Phononen für eine variable Zeitspanne zwischen den Ionen hin und her wandern. Sie untersuchten, wie sich die Phononen auf die Ionen in Abhängigkeit von der Zeitspanne verteilten. Dazu trugen sie die Wahrscheinlichkeit dafür auf, dass jedes Ion genau mit einem Phonon angeregt war. Zu dem Zeitpunkt, an dem der Strahlteiler vorlag, war diese Wahrscheinlichkeit Null. Mit zunehmendem Abstand von diesem Zeitpunkt nahm die Wahrscheinlichkeit zu. Es war also deutlich ein HOM-Dip zu sehen.
Am Strahlteiler hatten die beiden Phononen also ihren „Weg“ nicht unabhängig voneinander gewählt, sondern sich stets in übereinstimmender Weise entschieden, wie man es für Bosonen erwartet: Jedes Ion trug entweder zwei Phononen oder keines. Dadurch waren die beiden Ionen in einem quantenmechanisch verschränkten Schwingungszustand. Der experimentelle Nachweis dieser phononischen Verschränkung ist den Forschern zwar noch nicht zweifelsfrei gelungen, doch dass sich Phononen auf diesem Wege verschränken lassen, ist sehr wahrscheinlich. Für mikro- und nanomechanische Systeme, deren Schwingungszustand man auf dem Niveau einzelner Phononen kontrollieren kann, eröffnet das HOM-Experiment damit neue Möglichkeiten des Quanten-Engineerings.
Rainer Scharf
Weitere Infos
Weitere Beiträge
RK