04.11.2015

Gesellige Phononen

Hong-Ou-Mandel-Effekt erstmals mit Schwingungsquanten beobachtet.

Mechanische Schwingungen von Ionen, die in Ionenfallen festge­halten werden, sind quantisiert. Dass ihre Schwingungs­quanten oder Phononen gesellige Bosonen sind, konnten jetzt japanische Wissen­schaftler mit einem grund­legenden Experiment nachweisen. Die Forscher um Kenji Toyoda von der Universität von Osaka haben erstmals ein Hong-Ou-Mandel-Experiment mit Paaren von Phononen durchgeführt. Beim ursprüng­lichen HOM-Experiment gelangen zwei Licht­quanten mit gleicher Energie und Polarisation, aber aus unter­schiedlichen Richtungen kommend, gleichzeitig in die beiden Eingangs­kanäle eines 50:50-Strahl­teilers. Somit hat jedes Photon eine Chance von fünfzig Prozent, einen der beiden Ausgangs­kanäle zu nehmen. Da die ununter­scheidbaren Licht­quanten Bosonen sind, stimmen sie sich perfekt ab und nehmen beide stets denselben Kanal.

Abb.: Die Wahrscheinlichkeit, dass das zu Schwingungen angeregte Ion ein Phonon trägt (oben), nimmt mit der Zeit periodisch zu und ab, da das Phonon zwischen den beiden Ionen wandert. Der rote Strich markiert den Zeitpunkt, zu dem der 50:50-Strahlteiler vorliegt. Die Phononenkoinzidenz ist die Wahrscheinlichkeit, dass beide Ionen je ein Phonon tragen (unten). Sie ist zu dem markierten Zeitpunkt Null und zeigt dort einen HOM-Dip. (K. Toyoda et al. / NPG)

Erst kürzlich gelang französischen Forschern ein HOM-Experiment mit bosonischen Helium-4-Atomen. Passierten zwei Atome gleichzeitig einen aus Lichtwellen gebildeten Atom­strahl­teiler, so schlugen auch sie stets überein­stimmende Wege ein. Die Wahrschein­lichkeit für unter­schiedliche Wege war somit Null. Kamen sie hingegen zu unter­schiedlichen Zeiten beim Strahl­teiler an, so waren sie mehr oder weniger gut unter­scheidbar. Daraufhin nahm die Wahrschein­lichkeit für unter­schiedliche Wege mit der Zeit­differenz zu und zeigte ein ausge­prägtes Minimum, den „HOM-Dip“.

Da Phononen ebenfalls Bosonen sind, sollten auch sie sich in einem HOM-Experiment miteinander abstimmen und einen HOM-Dip zeigen. Doch wie erzeugt man den benötigten Strahl­teiler für die Schwingungs­quanten? Toyoda und seine Kollegen fanden eine clevere Lösung gefunden. Zunächst brachten sie zwei einfach geladene Kalzium-40-Ionen in eine lineare Paul-Falle. Die Ionen, deren Abstand 24 Mikrometer betrug, konnten senkrecht zur Achse der Falle mechanische Schwingungen mit einer Frequenz von etwa drei Megahertz ausführen. Dabei waren die Schwingungen der beiden Ionen schwach miteinander gekoppelt.

Diese Kopplung wurde sichtbar, als die Forscher zunächst beide Ionen in ihren Schwingungs­grund­zustand abkühlten und dann eines der Ionen durch abgestimmte Laserpulse in einen Schwingungs­zustand mit einem Phonon anregten. Daraufhin warteten sie für eine variable Zeitspanne und stellten dann durch Fluoreszenz­messung fest, mit welcher Wahrschein­lichkeit sich das angeregte Ion noch in seinem Ausgangs­zustand befand. Erwartungs­gemäß zeigte diese Wahrschein­lichkeit gedämpfte kosinus­förmige Oszillationen in Abhängigkeit von der gewählten Zeitspanne. Das Phonon war zwischen den gekoppelten Ionen hin und her gewandert. Zu einem bestimmten Zeitpunkt befand es sich mit gleicher Wahrschein­lichkeit auf beiden Ionen, sodass hierdurch ein 50:50-Strahl­teiler realisiert war.

Sodann regten die Forscher beide Ionen zu Schwingungen mit jeweils einem Phonon an und ließen die Phononen für eine variable Zeitspanne zwischen den Ionen hin und her wandern. Sie untersuchten, wie sich die Phononen auf die Ionen in Abhängig­keit von der Zeitspanne verteilten. Dazu trugen sie die Wahrschein­lichkeit dafür auf, dass jedes Ion genau mit einem Phonon angeregt war. Zu dem Zeitpunkt, an dem der Strahl­teiler vorlag, war diese Wahrschein­lichkeit Null. Mit zunehmendem Abstand von diesem Zeitpunkt nahm die Wahrschein­lichkeit zu. Es war also deutlich ein HOM-Dip zu sehen.

Am Strahlteiler hatten die beiden Phononen also ihren „Weg“ nicht unabhängig voneinander gewählt, sondern sich stets in überein­stimmender Weise entschieden, wie man es für Bosonen erwartet: Jedes Ion trug entweder zwei Phononen oder keines. Dadurch waren die beiden Ionen in einem quanten­mechanisch verschränkten Schwingungs­zustand. Der experimentelle Nachweis dieser phononischen Verschränkung ist den Forschern zwar noch nicht zweifels­frei gelungen, doch dass sich Phononen auf diesem Wege verschränken lassen, ist sehr wahrscheinlich. Für mikro- und nano­mechanische Systeme, deren Schwingungs­zustand man auf dem Niveau einzelner Phononen kontrollieren kann, eröffnet das HOM-Experiment damit neue Möglich­keiten des Quanten-Engineerings.

Rainer Scharf

RK

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