Giftfrösche liefern Blaupause für Tragflächen-Enteisung
Frostschutzmittel dringt durch winzige Poren in einer wasserabstoßenden Schicht und lässt Eiskristalle schmelzen.
Mit Heißluft und einem Glykol-Wasser-Gemisch werden im Winter Flugzeugtragflächen enteist, um Störungen in der Aerodynamik zu vermeiden. Eine bionische Alternative zu diesem aufwendigen und teuren Verfahren fanden nun Forscher um Konrad Rykaczewski an der Arizona State University in Tempe. Inspiriert von der mehrschichtigen Haut tropischer Giftfrösche entwickelten sie eine stark wasserabstoßende, poröse Oberfläche, unter der sie statt Gift ein flüssiges Frostschutzmittel deponierten.
Abb.: Frost (oben links), Raureif (Mitte) und gefrierendes Kondenswasser (rechts oben) – Funktionsweise der künstlichen Froschhaut, durch deren Poren Frostschutzmittel dringen konnte. (Bild: K. Rykaczewski, ASU)
Die Giftfrösche setzen ihr Gift durch ihre mehrschichtige Haut erst frei, wenn ein ausreichend großer mechanischer Druck – verursacht etwa von einem Fressfeind – auf der Außenhaut lastet. Rykaczewski und Kollegen mussten für ihre selbstenteisende Schicht einen analogen Aufbau finden, der das Frostschutzmittel ebenfalls erst bei einem geeignetem äußeren Reiz durch die Poren hindurchlässt.
So wählten sie als untere Schicht eine poröse, hydrophile Nylonmembran, die sie mit dem flüssigen Frostschutzmittel Propylenglycol tränkten. Diese Membran beschichteten sie in einem Sprühprozess mit einem stark wasserabstoßenden, superhydrophoben Polymer („Hydrobead“). Diese bis zu hundert Mikrometer dicke Polymerschicht wies ebenfalls zahlreiche Poren auf.
Diese künstliche Froschhaut setzten sie in einer Frostkammer bei minus 22 Grad drei verschiedenen, simulierten Wetterbedingungen aus: gefrierendem Regen, gefrierendem Nebel und gefrierendem Kondenswasser. Ohne äußeren Reiz konnte das Frostschutzmittel nicht durch die Poren an die Oberfläche dringen. Beim gefrierenden Regen floss das Wasser der einfallenden Tropfen kaum in die Poren ein. Parallel bildeten sich aber mikroskopisch kleine Eiskristalle, die tiefer in die Poren eindrungen. Erreichte dadurch ein Wasser-Eis-Gemisch die getränkte Nylonmembran, wurde das Frostschutzmittel freigesetzt. Es durchmischte sich mit dem Wasser und verhinderte die Bildung einer Eisschicht.
Abb.: Wasser perlt an der superhydrophoben Oberfläche ab. Zuvor ließ ein Frostschutzmittel, das durch feine Poren nach außen drang, Eiskristalle schmelzen. (Bild: K. Rykaczewski, ASU)
So konnte auf der Oberfläche eine ausgedehntere Eisbildung bis um eine Stunde verzögert werden konnte. Auf einer ebenfalls superhydrophoben Oberfläche ohne Frostschutzschicht begann die Eisbildung bereits nach einer Minute. Bei gefrierendem Nebel oder Kondenswasser konnte die Bildung einer Eisschicht nahezu genauso lange durch das austretende Forstschutzmittel unterbunden werden.
Einsatzreif für den Flugverkehr ist diese passive Frostschutzhaut allerdings noch nicht. Dazu müssten das aerodynamische Verhalten einer solchen Beschichtung erst genau untersucht werden. Zudem wäre für Langstreckenflüge ein länger anhaltener Frostschutz, etwa mit etwas dickeren, getränkten Nylonmembranen, nötig. Doch Rykaczewski hofft, bald erste Praxistests an den Rotorblättern von Windrädern durchführen zu können.
Jan Oliver Löfken
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