05.12.2017

Graphen-Sensor belauscht Zellen

Flexibles Transistormodul kann Aktivität von Nervenzellen messen.

Unablässig laufen elek­trische Impulse über die Bahnen des mensch­lichen Nerven­systems. Wissen­schaftler des Forschungs­zentrums Jülich, der TU München und vom nieder­ländischen Leiden Institute of Chemistry haben Mikro­sensoren entwickelt, die diese Signale der Nerven­zellen belauschen können. Für die winzigen Mess­fühler nutzen die Experten das Material Graphen. Als aktive Schicht in den Sensoren vereint es gleich drei vorteil­hafte Eigen­schaften: Es reagiert äußerst empfind­lich auf die schwachen Zellimpulse, ist biologisch verträglich und kann auf einer biegsamen Unter­lage aufgebracht werden.

Abb.: Modul für zukünftige Gehirn-Maschine-Schnittstellen: Vom Rand der Plastikfolie aus laufen Leiterbahnen zu den winzigen Graphenelektroden in der Mitte. (Bild: Kireev, FZJ)

„Das ist entscheidend für die Anwen­dungen, die wir uns für diese Bauteile vorstellen können. Auf lange Sicht geht es darum, eine Gehirn-Computer-Schnitt­stelle zu entwickeln“, erklärt Dmitry Kireev, Experte für Mikro­technologie am Institute of Complex Systems (ICS-8) in Jülich. Solche Implantate greifen Signale direkt im zentralen Nerven­system auf und leiten sie nach draußen. Profitieren könnten davon Patienten mit einer Prothese, die dadurch eine direkte Kontrolle über ihr künst­liches Körper­teil erhielten. Doch bevor es soweit sei, können die Sensoren dabei helfen, grund­legende Erkennt­nisse über die Funktion von Nerven­zellen zu gewinnen, sagt Kireev.

Die Träger, auf denen der Nano­forscher die winzigen Graphen­fühler in einem Gitter­muster anordnet, sind nicht viel größer als eine Briefmarke. Ein Sensor aus Silizium-Halbleiter­materialen, wie sie üblicher­weise in der Mikro­elektronik verwendet werden, wird auf einer starren Unterlage aufgebaut. Weil Graphen jedoch extrem reißfest und gleich­zeitig äußerst biegsam ist, kann für die Jülicher Sensoren auch eine Kunststoff­folie als flexibles Träger­material dienen. So lassen sich die Bauteile rollen und biegen, ohne dass sie ihre Funktions­fähigkeit einbüßen. Das ist eine wichtige Voraus­setzung dafür, dass sie im Körper eines Patienten implan­tiert werden können.

Die Sensoren sind mit bloßem Auge nicht zu erkennen. Gut sechzig Stück von ihnen sind auf den Bauteilen auf einer Fläche angeordnet, die gerade mal so groß ist wie ein Steck­nadelkopf ist. Den Rest des Bauteils nehmen die Zulei­tungen ein. Zwei verschiedene Archi­tekturen für die Mikro­sensoren hat Kireev bereits verwirk­licht: „Im ein­fachsten Fall bildet die dünne Graphen­schicht bloß eine Mikro­elektrode, welche die Impulse der Nerven­zellen aufnehmen und weiter­leiten kann. Dieser Aufbau besitzt ein geringes Grund­rauschen und liefert daher sehr saubere Signale.“

Etwas komplexer stellt sich der zweite Aufbau dar, in dem die Graphen­schicht einen Teil eines Feldeffekt­transistors (FET) auf dem Bauteil bildet. Wenn eine Nerven­zelle auf solch einem Graphen-FET ein Signal abfeuert, beeinflusst dieser Impuls die Steuer­spannung und damit auch den Stromfluss. Das Grund­rauschen dieser Transis­toren ist aller­dings höher als bei den einfachen Mikro­elektroden. Das liegt an der guten Leit­fähigkeit des Graphens erläutert Kireev: „Die Stromfluss in einem Graphen­transistor lässt sich nicht komplett abstellen. Das Ventil ist immer ein klein wenig geöffnet. Deshalb ist es hier schwieriger, das Mess­signal vom Rauschen des Sensors zu trennen.“

Das wiegt der Graphen-Transistor jedoch durch eine andere Eigen­schaft wieder auf, betont der Jülicher Forscher. Denn mit den winzigen Bauteilen lassen sich logische Schaltungen aufbauen. Die zeichnen dann nicht nur die Signale auf, sondern können auf demselben Bauteil gleich­zeitig die gemessenen Werte weiter verar­beiten und ana­lysieren. Damit ließen sich dann nicht nur die Nerven­impulse auslesen. Man könnte auch gezielt Zellen stimulieren, so Kireev: „Nicht nur einzelne Neuronen verarbeiten bioelek­trische Signale, sondern auch Herz­zellen. Es ist also durchaus denkbar, mit dieser Technik einen intel­ligenten Herzschritt­macher zu verwirk­lichen.“ Doch so weit ist die Jülicher Entwicklung noch lange nicht. Im Labor haben die Sensoren auf Basis von Graphen bereits bewiesen, was sie können. Die nächste Heraus­forderung besteht nun darin, die Zell­signale auch an einem natür­lichen Organ zu messen.

FZJ / JOL

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