GREGOR öffnet sein Auge
Europas größtes Sonnenteleskop nimmt den Betrieb auf.
Nächste Woche nimmt Europas größtes Sonnenteleskop GREGOR seinen Betrieb im spanischen Observatorio del Teide auf Teneriffa auf. Das maßgeblich durch deutsche Wissenschaftler und Ingenieure in zehn Jahren Entwicklungsarbeit konstruierte Teleskop bietet der internationalen Forschungsgemeinschaft fortan die Möglichkeit, die Sonne mit der neuesten zur Verfügung stehenden Instrumentierung in ungekannter Detailtiefe zu untersuchen.
Abb.: Das Gebäude mit GREGOR auf dem Dach (links) steht in unmittelbarer Nachbarschaft zum Vakuum-Turm-Teleskop (VTT) des Kiepenheuer-Insituts auf dem Gelände der Teide-Sternwarte auf Teneriffa. (Bild: KIS)
Hinter dem Teleskopprojekt steht ein deutsches Konsortium unter der Leitung des Kiepenheuer-Institut für Sonnenphysik in Freiburg mit dem Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) und dem Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg/Lindau als Partner, und mit Beiträgen des Instituto de Astrofísica de Canarias, des Instituts für Astrophysik der Universität Göttingen und dem Astronomical Institute of the Academy of Sciences of the Czech Republic.
Das Sonnenteleskop GREGOR ermöglicht mit seinem Hauptspiegel von 1,5 Metern Durchmesser Beobachtungen der solaren Photosphäre und Chromosphäre im sichtbaren und im infraroten Licht. Die große Lichtsammelfläche des Teleskops ermöglicht Aufnahmen der Sonne mit bislang unerreichter Qualität und Auflösung. Atmosphärische Störungen der Beobachtungen werden durch ein neues System adaptiver Optik kompensiert.
„Dank der adaptiven Optik werden wir mit GREGOR zukünftig fantastische Aufnahmen der Sonne erzielen, wie es bislang nur mit Satelliten außerhalb der Erdatmosphäre möglich war.“ freut sich Oskar von der Lühe, Direktor des Kiepenheuer-Instituts für Sonnenphysik in Freiburg. Mit diesen Beobachtungen können die Wissenschaftler zukünftig physikalische Prozesse auf der Sonne untersuchen, die sich auf kleinen räumlichen Skalen bis herab zu 70 Kilometern abspielen.
Zusätzlich zu Sonnenbeobachtungen am Tage kann das GREGOR-Teleskop durch seine technische Ausstattung auch zur Nachtbeobachtung eingesetzt werden – insbesondere für die Suche nach „Zwillingen“ der Sonne durch die Langzeitbeobachtung heller Sterne und das Studium ihrer Veränderlichkeit und periodisch-zyklischer Phänomene. „Die Sonne als unser nächster Stern ist auch deswegen so spannend, weil sie uns viel darüber verraten kann, wie andere Sterne funktionieren“, so Klaus Strassmeier, wissenschaftlicher Direktor am AIP.
Abb.: Wegen der komplett weg geklappten Kuppel kann der stetige Wind das 1,5-Meter-Teleskop kühlen. (Bild: AIP)
GREGOR ist ein „offenes“ Teleskop. Die Halbschalen einer zusammenfaltbaren, doppelwandigen Zeltkuppel öffnen sich vollständig, so dass es während der Beobachtungsphasen völlig frei auf dem Dach des knapp 20 Meter hohen Gebäudes steht. Der natürliche Wind- und Luftzug kühlt die offene Struktur, ohne dass Verwirbelungen der Luft oder Vibrationen des Instruments auftreten können, welche die Bildqualität stark beeinträchtigen würden. Der Hauptspiegel besteht aus einer filigranen Wabenstruktur, die eine nur zehn Millimeter dicke, verspiegelte Oberfläche trägt. Diese in Leichtbauweise hergestellte Glaskeramik wird zusätzlich zur Vermeidung von Überhitzung und Turbulenzbildung von der Rückseite permanent gekühlt.
Wissenschaftliche Beobachtungskampagnen mit GREGOR können zukünftig verschiedene Instrumente nutzen. Mit großformatigen Kameras können Aufnahmen der Sonne im sichtbaren Licht in größter Detailgenauigkeit studiert werden. Zwei weitere Instrumente zerlegen das Licht in Spektren unterschiedlicher Wellenlängen: Ein Spektrograph dient der Infrarotbeobachtungen und ein Interferometer erzeugt Bilder aus sehr feinen Ausschnitten des Spektrums, die unterschiedliche Bereiche der Sonnenatmosphäre zugänglich machen. Mit diesen Instrumenten wollen die Astronomen detaillierte Karten des Magnetfeldes der Sonne erstellen. Diese werden zum ersten Mal einen direkten Vergleich von experimentellen Beobachtungsdaten mit theoretischen Vorhersagen und Simulationsrechnungen möglich machen.
„Die Sonne beeinflusst die Erde und unser Leben. Leider ist vieles von diesem Einfluss noch unverstanden. GREGOR wird hierzu ganz neue Möglichkeiten eröffnen.“ erklärt Sami K. Solanki, Direktor am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau.
AIP / OD