Grenzflächenphänomene ganzheitlich betrachtet
AVS ehrt Michael Grunze mit dem Gaede-Langmuir Award.
Die Amerikanische Vakuumgesellschaft (AVS) hat Professor Michael Grunze mit ihrem Gaede-Langmuir Award for Science and Technology of Materials, Interfaces, and Processing ausgezeichnet. Damit würdigt sie dessen Errungenschaften auf dem Gebiet der Grenzflächenwissenschaften. Grunzes neue experimentelle Ansätze, seine theoretischen Simulationen und praktischen Erfindungen führten diesen Forschungsbereich über die Betrachtung von kleinen Molekülen an Oberflächen hinaus zu Konzepten der komplexen Flüssigkeit-Oberflächen-Wechselwirkungen, die Polymere, Biointerphasen und biomedizinischen Anwendungen mit einschließen.
Abb.: Feut sich über die Auszeichung seiner Forschungs- und Entwicklungsarbeiten: Prof. Dr. Michael Grunze. (Bild: MPG / Nico Damm)
Der Gaede-Langmuir Award wird seit 1977 alle zwei Jahre verliehen und ehrt außergewöhnliche Entdeckungen und Erfindungen in den Wissenschaften und Technologien, mit denen sich die Amerikanische Vakuumgesellschaft beschäftigt. Der Award besteht neben einem Geldbetrag aus einer Erinnerungsplakette und einer Honorardozentur bei einer der regulären Tagungen des Internationalen Symposiums.
„Ich fühle mich durch diese Auszeichnung sehr geehrt. Sie ist eine große Anerkennung der Beiträge, die meine vielen Studierenden, meine Kollegen und ich über die Jahre – häufig in Kooperation mit anderen Forschungsgruppen – in den für die AVS relevanten Bereichen gemacht haben,“ sagte Michael Grunze bei der Verleihung des Awards Ende Oktober in Long Beach, Californien.
Michael Grunze promovierte 1974 an der Freien Universität Berlin in Physikalischer Chemie über die Reduktion von ZnO mit reaktiven Gasen. Unter der Leitung von Wolfgang Hirschwald leitete er mit thermogravimetrischen Methoden ein kinetisches Modell für die Orientierungsabhängigkeit der Reduktion von ZnO-Einkristallen ab. Anschließend trat er als Post-Doc in die Forschungsgruppe des späteren Nobelpreisträgers Gerhard Ertl in München ein und war an den ersten Eiseneinkristallexperimenten beteiligt, um den Mechanismus der Stickstoffadsorption und der Stickstoff- und Ammoniakdissoziation im Hinblick auf ungelöste mechanistische Fragen im Zusammenhang mit dem Haber Bosch Prozess zu untersuchen. Nach einem kurzen Aufenthalt bei John Pritchard am Queen Mary College in London setzte er seine Arbeit an katalytischen Oberflächenreaktionen am Fritz Haber Institute der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin fort. Der kinetische Formalismus, den er für die Stickstoffdissoziation auf Fe(111)-Oberflächen ableitete, lieferte den Input für die Modellierung des industriellen Haber Bosch Prozesses.
1983 nahm Grunze eine Stelle als ordentlicher Professor für Physik an der University of Maine an, wo er Strategien zur Charakterisierung von Polymer/Metall-Grenzflächen und dem Mechanismus der Adhäsion in diesen technisch wichtigen Systemen entwickelte. Dort entwarf und baute er unter anderem ein Röntgen-Photoelektronenspektrometer, das in der Lage ist, Adsorption und katalytische Reaktionen an festen Oberflächen bis in den mbar-Druckbereich zu untersuchen – eine Technik, die heute in mehreren Labors eingesetzt wird.
Nach seiner Rückkehr aus den USA übernahm Professor Grunze den Lehrstuhl für Angewandte Physikalische Chemie an der Universität Heidelberg, wo er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2012 tätig war. Der Schwerpunkt seiner Arbeit lag weiterhin auf den statischen und dynamischen Eigenschaften und Anwendungen dünner organischer Schichten wie der selbst-organisierenden Monolagen (SAM), der Polymerbürsten und der anorganischen Polymeren für medizinische Zwecke (Polyphosphazene).
Seine Gruppe war die erste, die synchrotronbasierte Methoden und nichtlineare optische Methoden wie Second Harmonic Generation (SHG) und Sum Frequency Generation (SFG) einsetzte, um die molekulare Konformation und Orientierung in adsorbierten organischen Schichten in Luft und verschiedenen Lösungsmitteln zu untersuchen. Diese Experimente führten zu einem erweiterten Interesse an den Eigenschaften von Wasserschichten an Grenzflächen und den Kräften zwischen Objekten in einer wässrigen Umgebung.
Die experimentelle Arbeit wurde durch gemeinsame theoretische und modellierende Arbeiten mit Hans-Jürgen Kreuzer bzw. Alexander Pertsin ergänzt. In diesen Studien wurde gezeigt, dass die Konformationsänderungen von Ethylenoxid-Oligomeren im Wasser die „Inertheit“ der jeweiligen SAM-Oberflächen erklären, und dass durch die quantitative Modellierung von Solvatationskräften und deren Reichweite die Kräfte zwischen Phospholipidschichten und verschiedenen SAM-Oberflächen im Wasser vorhergesagt werden können. In den letzten 15 Jahren hat Michael Grunze seine Hauptforschungsaktivitäten auf umweltfreundliche, nicht bewuchsfähigen Oberflächen für Meeresanwendungen konzentriert, was zu neuen Strategien und experimentellen Methoden führte, um die Interaktion von Einzellerorganismen mit Oberflächen zu quantifizieren.
Nach seiner Emeritierung im Jahr 2012 übernahm Professor Grunze weltweit Aufgaben in wissenschaftlichen Ausschüssen und Beiräten. Seit 2017 unterstützt er die Abteilung für Zelluläre Biophysik am Max-Planck-Institut für medizinische Forschung in Heidelberg.
MPIMF / AVS / LK