14.06.2021

Großer Klang ganz klein

Siliziumbasierter Schallwandler macht herkömmliche Membran überflüssig.

Das Internet der Dinge und speziell das Internet der Sprache erfordert energie­effiziente und hochwertige Audiogeräte. Eine besondere Heraus­forderung stellen hierbei In-Ohr-Kopfhörer dar. Diese akku­betriebenen Kleinstgeräte sollen einen immer größeren Funktions­umfang abdecken. Eine vom Fraunhofer-Institut für Photonische Mikro­systeme IPMS entwickelte innovative Lautsprecher­technologie stellt aufgrund ihres geringen Bauteil-Volumens und hoher Energie­effizienz einen wichtigen Entwicklungs­schub dar. 

Abb.: Prototyp des neuen Lautsprechers mit hoher Energieeffizienz. (Bild:...
Abb.: Prototyp des neuen Lautsprechers mit hoher Energieeffizienz. (Bild: Fh.-IPMS)

Das Neuartige an der Lautsprecher­technologie ist das silizium­basierte Schallwandler­prinzip, welches keine herkömmliche Membran mehr besitzt. Vielmehr wurde diese gewisser­maßen in Streifen zerlegt und in Form einer Vielzahl von Biegebalken – ähnlich der Saiten einer Harfe – in einem Siliziumchip vereint. Die dünnen Biegebalken, die nicht breiter sind als der Bruchteil eines Haares, bilden mit ihrem integrierten, elektro­statischen Antrieb eine völlig neuartige Klasse von Biegeaktoren. Beim Anlegen einer Audiosignal­spannung werden diese zum Schwingen angeregt und erzeugen hörbare Schallwellen. Durch die Integration aller Komponenten direkt im Silizium­chip sind diese Klanggeber wesentlich kleiner und energieeffizienter als herkömmliche Lautsprecher. Diese neue Art extrem kleiner Mikrolautsprecher bietet nun den Raum, eine Vielzahl weiterer Funktionalitäten in zukünftige In-Ohr-Kopfhörer zu integrieren. So erlauben sie smarte Hearable-Anwen­dungen wie Instant-Übersetzung, Bezahl­funktionen und weitere Internet­dienstleistungen – alles sprach­gesteuert und ohne Blick auf das Smartphone. Diese Multitalente könnten in Zukunft sogar die komplette Internet­kommunikation übernehmen.

Elektro­statisch ausgelenkte Mikro­balken sind in der Welt von mikro­elektro­mecha­nischen Systemen (MEMS) weit verbreitet und haben angesichts der aktuellen technologischen Trends einen hohen Stellenwert. Insbesondere die Entwicklung von komplexen Systemen mit vielen MEMS-Einzel­komponenten ist auf das Vorhandensein von zuverlässigen ordnungs­reduzierten Modellen angewiesen. Ordnungs­reduzierte Modelle können dabei die Ortsab­hängigkeit der Auslenkung eines Balkens mit einem einzigen Freiheits­grad beschreiben, was die Lösung der zugehörigen Gleichungen wesentlich vereinfacht, oder oftmals überhaupt erst ermöglicht. Das Verhalten von Mikrobalken ist jedoch stark nichtlinear, was in der Regel das Ableiten solcher Modelle zu einer Heraus­forderung macht, da viele solcher Freiheitsgrade benötigt werden, um eine angemessene Genauigkeit zu erreichen.

„Wir haben einen wichtigen Schritt für die Weiter­entwicklung von ordnungsreduzierten Modellen von elektrostatisch ausgelenkten Mikrobalken unternommen, indem die modale Beteiligung von Euler-Bernoulli Moden an der statischen Auslenkung numerisch und experimentell untersucht wird“, berichtet Anton Melnikov. „Es stellt sich heraus, dass in dem für MEMS üblichen Parameter­bereich die Nullmode über den gesamten Hub des Balkens alle wichtigen Informationen beinhaltet, um das Gesamt­verhalten mit hoher Präzision abzubilden“, sagt er. Diese Erkenntnisse erlauben die Erstellung von ordnungs­reduzierten Modellen basierend auf der Projektion auf die Euler-Bernoulli-Nullmode, was eine akkurate Abbildung von Mikrobalken über einem einzigen Freiheitsgrad ermöglicht. 

Die Vermarktung dieser Forschungs­ergebnisse übernimmt die vom Fraunhofer IPMS 2019 ausgegründete Arioso Systems GmbH. Sie hat die exklusive Verwertung solcher Laut­sprecher auf Basis von Silizium-Mikro­systemen als Geschäftszweck. Dass sich die Partner­schaft zwischen der Ausgründung Arioso Systems GmbH und dem Fraunhofer IPMS auf dem Erfolgsweg befindet, wurde 2020 auch durch die Gewinnung weiterer gemeinsamer Förder­projekte sichtbar. Das Verwertungs­potenzial der neuartigen Mikrolaut­sprecher wird derzeit in Gesprächen mit interessierten Industrie­kunden evaluiert. Gleichzeitig arbeitet das Team bereits an der Patentierung und Umsetzung weiterer Ideen, die aus der initialen Idee eines neuen Lautsprecher­konzepts einen nachhaltigen Innovations­impuls machen.

Fh.-IPMS / JOL

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