21.06.2022 • Energie

Großproduktion in der Mikrowelle

Hochtemperaturöfen sollen durch nachhaltige betriebene Mikrowellen-Heizprozesse ersetzt werden.

Verfahrenstechniker der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg wollen die Mikrowellen­technologie als umwelt­schonende Alternative für energie­intensive und schwer kontrollierbare Produktions­verfahren entwickeln. In besonders ausgestatteten Geräten untersuchen sie unter kontrollierten Labor­bedingungen chemische Prozesse, wie sie unter anderem in Hoch­temperaturöfen stattfinden. Ziel des Forschungs­vorhabens ist es, energie­intensive Groß­produktions­prozesse effizienter und umwelt­freundlicher zu gestalten, den enormen Verbrauch fossiler Brennstoffe sowie den damit verbundenen Kohlendioxid-Ausstoß signifikant zu reduzieren. Zurzeit verbrauchen, laut Martin Dehli in „Der Energie­verbrauch in Deutschland“, großindustrielle Produktions­verfahren bis zu 19 Prozent des deutschen Energie­bedarfs allein für die Bereitstellung von Prozesswärme.

 

Abb.: Nicole Vorhauer-Huget (li.) und Alba Dieguez Alonso (re.) bei...
Abb.: Nicole Vorhauer-Huget (li.) und Alba Dieguez Alonso (re.) bei Versuchs­vorbereitungen am Mikrowellen­reaktor (Bild: J. Dünnhaupt, U. Magdeburg)

Das Forschungsvorhaben der Junior-Professorin Alba Dieguez Alonso und von Nicole Vorhauer-Huget ist ein Teilprojekt des Sonder­forschungs­bereichs SFB/ Transregio 287 Bulk-Reaction. In dem von der Deutschen Forschungs­gemeinschaft DFG mit fast zehn Millionen Euro unterstützten Vorhaben entwickeln rund vierzig Wissenschaftler der Universitäten Magdeburg, Bochum und Kiel aus den Ingenieur­wissenschaften, der Informatik und der Physik aufwändige Computer­simulations­modelle für Groß­produktions­verfahren. Anschließend werden sie diese Simulationen durch experimentelle Messverfahren überprüfen.

„Konventionelle Produktions­prozesse in Hochtemperatur­öfen, zum Beispiel zur Herstellung von Keramik, Zement, Ziegeln oder Stahl, verbrauchen weltweit eine enorme Menge an Energie, die derzeit noch fast ausschließlich aus fossilen Ressourcen stammt“, so Alonso. Das führe zu hohen Kosten und Kohlen­dioxid-Emissionen. „Wir suchen nach Wegen, den wachsenden Energieverbrauch durch fossile Brennstoffe bei diesen Großproduktionsprozessen zu senken“, ergänzt ihre Kollegin Vorhauer-Huget. „Unsere Alternative heißt: Mikrowellentechnologie.“ Wie in haushalts­üblichen Geräten, könnten damit statt fossiler Brennstoffe erneuerbare Energieträger wie Wind und Sonne eingesetzt werden, so die Verfahrenstechnikerin weiter. Mikrowellen wirkten darüber hinaus sehr schnell, das wisse jeder aus der Küche. „So könnte künftig auch bei Groß­produktions­prozessen Zeit und damit viel Energie eingespart werden.“

Allerdings sei die Interaktion der Mikrowellen mit den Materialien, die sich bei hohen Temperaturen durch chemische Reaktion im Prozess ständig verändern, größtenteils noch nicht gut verstanden. „Unser Forschungs­ansatz ist es deshalb, experimentell gewonnene Daten über Materialien, Reaktionen sowie dieelektrische Eigenschaften – die bestimmen, wie gut sich ein Material mit elektro­magnetischer Strahlung erwärmen lässt – zu sammeln.“ Das stelle allerdings eine große Herausforderung dar, unterstreicht Alonso. „Viele während der Prozesse in der Mikrowelle auftretende Vorgänge sind sehr schnell und laufen dazu im Mikrometer- bis Nanometerbereich ab. Zudem ist der Mikrowellen­reaktor durch ein Metallgehäuse abgeschirmt und in ihm herrschen Temperaturen über 600 Grad Celsius.“

Der speziell vom Unternehmen Püschner GmbH und Co KG Mikrowellenenergietechnik für das Forschungsteam entwickelte Reaktor sei zwar ausgerüstet mit Wärmebild­kameras, Waage, Druck- und Temperaturfühlern, zählt Alonso auf. Das reiche jedoch nicht aus, um die Abläufe wissenschaftlich fundamental zu erfassen oder für verschiedene Bedingungen und Materialien vorherzusagen. „Hierfür sind wiederum zusätzlich aufwändige mathematische Computermodelle erforderlich, die wir jetzt entwickeln wollen. Damit können wir alle bisher nicht messbaren Interaktionen zwischen Materialien, Reaktionen und elektro­magnetischen Wellen auf verschiedensten Größenskalen erfassen“, ergänzt Vorhauer-Huget. „Wir beobachten also die Eigenschaften des Ausgangs­stoffs: Wie schnell erwärmt er sich? Welche Prozess­bedingungen müssen geschaffen werden, damit die Reaktionen möglichst effizient ablaufen? Davon lassen sich dann wiederum bestimmte Annahmen über die Prozess­steuerung während der Produktion ableiten und Aussagen zur Produktqualität treffen.“

Letztendlich bestimmen die Prozessparameter in einem Hochtemperaturofen sowohl die Produkt­eigenschaften wie Porosität und Festigkeit als auch die chemische Zusammen­setzung von Produkt­gasen und -flüssigkeiten. „Da die Mikrowellenerwärmung im Vergleich zu konventionellen Verfahren mit heißen Gasen oder Wärmestrahlung grundsätzlich andere Prozess­bedingungen ermöglicht, könnten künftig Produkt­eigenschaften gezielt verändert und optimiert werden. Auf der Grundlage der Forschung könnten also in Zukunft neue Verfahren zur Gewinnung nachhaltiger Produkte bereitstehen.“

U. Magdeburg / DE

 

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