17.09.2004

Halbwertszeit chemisch verkürzt

Das radioaktive Berylliumisotop 7Be zerfällt deutlich schneller, wenn es in einem Fullerenmolekül (C60) gefangen ist.


Halbwertszeit chemisch verkürzt

Das radioaktive Berylliumisotop 7Be zerfällt deutlich schneller, wenn es in einem Fullerenmolekül (C 60) gefangen ist statt im Kristallgitter eingebettet zu sein.

Normalerweise zerfällt das radioaktive Berylliumisotop 7Be mit einer Halbwertszeit von rund 53,1 Tagen in das Lithiumisotop 7Li. Dazu fängt der 7Be-Kern ein Elektron aus seiner Umgebung ein, gibt ein Elektronneutrino ab und wandelt sich in einen 7Li-Kern um. Zu 89,6 % befinden sich die so entstandenen 7Li-Kerne im Grundzustand, zu 10,4 % in einem angeregten Zustand, der unter Aussendung eines Gammaquants mit einer Energie von 478 keV ebenfalls in den Grundzustand übergeht. Anhand dieser charakteristischen Strahlung lässt sich der Zerfall der 7Be-Kerne nachweisen.

Die Halbwertszeit von 7Be ist in verschiedenen Experimenten mit einem relativ kleinen Fehler von 0,5 % und darunter gemessen worden. Dabei zeigten sich kleine Variationen, die auf den Einfluss der chemischen Umgebung der Berylliumkerne zurückgehen. Eingebettet in Gold haben die Berylliumkerne eine Halbwertszeit von T=53,3 d, in Graphit und metallischem Beryllium hingegen misst man T=53,1 d.

Das Beryllium zerfällt umso schneller, je leichter es ein Elektron aus seiner Elektronenhülle einfangen kann, also je größer die Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Elektronen innerhalb des Kerns ist. Diese Aufenthaltswahrscheinlichkeit – und mit ihr die Halbwertszeit – ändert sich durch äußere Einflüsse wie Druck oder das Vorhandensein von chemischen Bindungen. Im Innern der Sonne, wo 7Be eine wichtige Rolle bei der Neutrinoproduktion spielt, hängt die Halbwertszeit auch von der Plasmadichte in der Umgebung der Berylliumkerne ab.

Wie stark kann man die Halbwertszeit von 7Be durch eine maßgeschneiderte Umgebung verringern, in der eine hohe Elektronendichte die Elektronen des Berylliums in den Atomkern drückt? Diese Frage stellten sich Tsutomu Ohtsuki seine Kollegen von der Tohoku Universität in Sendai. Dabei dachten die japanischen Forscher an C 60-Moleküle, die durch ihre hohe Symmetrie und ihre zahlreichen π-Bindungen für ein in ihrem Innern eingeschlossenes Atom eine ganz ungewöhnliche Umgebung bilden.

Abb.: Radioaktives Beryllium-7 in Fullerenmolekülen gefangen (rote Punkte) zerfällt schneller als wenn es in metallischem Beryllium eingeschlossen ist (blaue Punkte). (Quelle: Tohoku Universität)

Schon in früheren Experimenten war es Ohtsuki und seinen Kollegen gelungen, einzelne Berylliumatome in C 60-Moleküle einzuschließen. Dazu mischten sie Lithiumkarbonatpulver mit gereinigtem Fulleren und bestrahlten das Gemisch mit Protonen von 16 MeV. Dabei wandelten sich die von einem Proton getroffenen 7Li-Kernen unter Neutronenabgabe in die gewünschten 7Be-Kerne um, die ausreichend kinetische Energie hatten, in die C 60-Moleküle einzudringen. Den radioaktiven Zerfall der 7Be-Kerne, die sich in den Fullerenmolekülen gefangen hatten, registrierten die Forscher über einen Zeitraum von 170 Tagen hinweg.

In einem Kontrollexperiment wurde der Zerfall von 7Be-Kerne untersucht, die sich als Verunreinigung in einer metallischen Probe aus Beryllium-9 befanden. Die Probe war durch Gammabestrahlung hergestellt worden, wobei sich das 9Be durch Abgabe von zwei Neutronen in 7Be umwandelte. Anschließend wurden die Gitterfehler, hervorgerufen von den Kernreaktionen in der kristallinen Probe, durch Sintern weitgehend ausgeheilt. Auch für die 7Be-Kerne in der Berylliumprobe wurden die radioaktiven Zerfallsereignisse über 170 Tage hinweg aufgezeichnet.

Während die Halbwertszeit der 7Be-Kerne in metallischem Beryllium bei T=53,12 ± 0,05 d lag und mit den Ergebnissen anderer Messungen vereinbar war, zeigten die in Fullerenmolekülen gefangenen 7Be-Kerne eine deutlich kürzere Halbwertszeit von T=52,68 ± 0,05 d. Eine so große Beschleunigung des radioaktiven Zerfalls – immerhin um fast 1 % – nur mit chemischen Mitteln war bisher noch nicht beobachtet worden.

Die Forscher glauben, dass man durch geeignete Umweltbedingungen die Halbwertszeit von radioaktiven Substanzen noch in größerem Maße verändern kann, als es ihnen jetzt gelungen ist. Zudem könnten sich Fullerenmoleküle dazu eignen, die in ihnen eingeschlossenen radioaktiven Kerne als Tracer oder als Strahlungsquelle für die Radiotherapie in den Stoffwechsel des menschlichen Körpers einzuschleusen.

Rainer Scharf

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