Hart, leicht und elastisch zugleich
Neue Kohlenstoffverbindung kombiniert Eigenschaften von Keramik und Polymeren.
Kein anderes Element bietet in reiner Form so vielfältige Eigenschaften wie Kohlenstoff – vom harten Diamant über das weiche Graphit und dem zweidimensionalen Graphen bis zum Nanoröhrchen und Fulleren-Molekül. Mit einem Hochdruck-Experiment erweiterte nun eine chinesisch-amerikanische Forschergruppe diese Palette vielseitiger Kohlenstoffverbindungen. Sie schufen ein leichtes Material, dass zugleich hart wie Stein oder Keramik und elastisch wie ein Kunststoff ist. Der neue glasartige Kohlenstoff ist zudem noch elektrisch leitfähig und bietet damit viele Anwendungsmöglichkeiten.
Abb.: Strukturmodell der neuen, glasartigen Kohlenstoffverbindung, die dank unterschiedlicher Hybridisierung der Atome zugleich hart und elastisch ist. (Bild: T. Strobel)
Zhisheng Zhao und Yongjun Tian von der Yanshan University in Qinhuangdao wollten in ihrem neuen Kohlenstoff-Allotrop die besten Eigenschaften von graphit- und diamantartigen Kohlenstoffverbindungen miteinander verknüpfen. Grundlage der neuen, glasartigen Verbindung ist die Eigenschaft von Kohlenstoffatomen, sich je nach Hybridisierung mit zwei, drei oder vier weiteren Atomen verknüpfen zu können. Gemeinsam mit Kollegen von der Carnegie Institution in Washington gelang die Synthese einer Verbindung, in der Kohlenstoffatome wahlweise eine sp2- und sp3-Hybridiserung aufwiesen. Dadurch entstand ein Material, das widerstandsfähig gegen Druck und Chemikalien war, sich aber elastisch unter starken Biegekräften verformte ohne zu brechen.
Tian und Kollegen wählten als Ausgangsmaterial eine besondere Kohlenstoffverbindung, in der sich gebogene, atomar dünne Graphenschichten unregelmäßig zu einem Festkörper zusammenballten. Eine nur Millimeter kleine Probe dieses glasartigen Kohlenstoffs pressten sie zwischen zwei Diamantstempel mit bis zu 25 Gigapascal Druck zusammen. Zusätzlich heizten sie ihre Probe rasch auf bis zu 1100 Grad Celsius auf. Nach etwa zwei Stunden entstanden die bisher unbekannten, harten und elastischen Varianten von Kohlenstoff. Mit mehreren Methoden – Elektronenmikroskopie, Röntgenbeugung, Raman-Spektroskopie – analysierten die Forscher den inneren Aufbau dieses komprimierten, glasartigen Kohlenstoffs. Dabei erkannten sie, dass sich die Atome in direkter Nachbarschaft mit einem Abstand von bis zu fünf Nanometern streng symmetrisch angeordnet hatten. Über größere Abstände jedoch dominierte eine eher ungeordnete atomare Struktur. In der Verbindung verknüpften sich die Atome einerseits mit vier weiteren Atomen wie im Diamant, teilweise aber auch nur mit drei Nachbaratomen wie in Graphit oder Graphen.
Dieses Experiment zeigt, dass aus Kohlenstoff neue Werkstoffe entstehen können, die hart und chemisch inert, aber auch leicht und elastisch sind. Die Forscher planen, mit ihrer Hochdruckmethode noch weitere neue Kohlenstoff-Allotrope zu erschaffen. Ihr Ziel ist ein extrem fester, ultraharter und zugleich superelastischer Werkstoff. Diese ließen sich beispielsweise für die Konstruktion von Brücken, Rotorflügeln oder Flugzeughüllen nutzen. Um große Mengen dieser Kohlenstoffverbindungen herstellen zu können, müsste aber auch das Syntheseverfahren noch deutlich optimiert werden. Denn die bisher erschaffenen Proben waren kaum größer als der Kopf einer Stecknadel.
Jan Oliver Löfken
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