Heiße Staubscheiben abgelichtet
Staubringe um Sterne in neuem Wellenlängenbereich interferometrisch vermessen.
Sie sind so nah an Sternen, dass sie bis zu tausend Grad Celsius heiß werden: Das Phänomen der heißen Staubringe – eine Ansammlung von submikrometergroßen Partikeln in unmittelbarer Nähe von Sternen – wurde 2006 das erste Mal außerhalb unseres Sonnensystems entdeckt. Doch aufgrund ihrer geringen Größe sind die Staubpartikel schwierig zu beobachten und ihr Ursprung bislang ungeklärt. Zum ersten Mal konnte dieses Phänomen jetzt mit der extrem hohen Auflösung des Beobachtungsinstruments Matisse (Multi AperTure mid-Infrared Spectro Scopic Experiment) am Paranal Observatory der Europäischen Südsternwarte ESO in Chile in einem neuen Wellenlängenbereich beobachtet werden. Beteiligt war auch die Arbeitsgruppe Stern- und Planetenentstehung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Ihre Ergebnisse liefern zentrale Grundlagen für weitere Studien, um das Phänomen dieser Staubringe zu erklären.
Staubringe, auch Staubscheiben oder Trümmergürtel genannt, bilden sich durch die Kollisionen von Geröll und Kleinkörpern, die nach der Entstehung von Planeten übrigbleiben – so viel ist seit einigen Jahrzehnten bekannt. In unserem Sonnensystem ist eine solche Ansammlung zum Beispiel zwischen der Mars- und Jupiterbahn zu finden, der Asteroidengürtel. Rätsel geben jedoch die 2006 erstmals entdeckten heißen Staubringe auf. Wie konnten sie sich unter den hohen Temperaturen, denen sie so nah an den Sternen ausgesetzt sind, bilden und über Milliarden Jahre bestehen?
Genaue Informationen über ihre räumliche Struktur und stoffliche Zusammensetzung könnten helfen, das Phänomen der heißen Staubringe und ihrer Entstehung besser zu verstehen. Die jetzt veröffentlichten Beobachtungen mit Matisse sind ein zentraler Schritt dahin, hoffen die Forscher. „Wir konnten die heißen Staubringe nicht nur mit einer hohen Auflösung beobachten, sondern auch im Wellenlängenbereich um drei Mikrometer, in dem diese Ringe besonders hell strahlen“, sagt Sebastian Wolf, Professor für Astrophysik und Leiter der Arbeitsgruppe Stern- und Planetenentstehung an der CAU. „Dieser Bereich war mit bisherigen Beobachtungsinstrumenten nicht zugänglich und erlaubt uns jetzt einen einzigartigen Einblick in dieses Phänomen.“
Wolfs Arbeitsgruppe war Teil des internationalen Konsortiums von Wissenschaftlern aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Österreich, die das Beobachtungsinstrument Matisse zwölf Jahre lang entwickelt hatten. 2019 ging das weltweit leistungsfähigste interferometrische Instrument für den mittleren Infrarotbereich am VLTI (Very Large Telescope Interferometer) an der ESO in Chile in Betrieb. Bis zu vier Teleskope können genutzt werden, um die Infrarotstrahlung von Himmelsobjekten interferometrisch zu erfassen. Die Forscher erhalten also keine unmittelbaren Aufnahmen der Objekte, sondern die Messdaten lassen Rückschlüsse auf ihre Erscheinungsform und Eigenschaften zu. Durch die Kombination von vier Teleskopen erreicht Matisse eine enorme Auflösung, die der eines 200 Meter langen Teleskops entsprechen würde. Mit dieser bisher unerreichten Präzision sind Einblicke in die früheste Entwicklung von Planeten und letztendlich der Entstehung des Sonnensystems möglich.
Auf diese Weise beobachtete das Forschungsteam, an dem neben der CAU auch Forscher des University College London, des Large Binocular Telescope Observatory in Tucson (USA) sowie der Universitäten Arizona, Cote d’Azur und Jena beteiligt waren, den Stern Kappa Tucanae. Er befindet sich im Sternbild Tukan, das nur auf der Südhalbkugel zu sehen ist. Der Stern ist etwa zwei Milliarden Jahre alt – weniger als halb so alt wie unsere Sonne – und etwa 69 Lichtjahre von der Erde entfernt. Anhand der erhobenen Daten konnten die Forschenden die genaue Lage des Staubrings um Kappa Tucanae sowie die Eigenschaften des Staubs ermitteln.
„Diese Informationen sind wichtige Voraussetzungen für die Suche nach dem Ursprung des Phänomens“, sagt Erstautor Florian Kirchschlager, ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter in Wolfs Arbeitsgruppe und mittlerweile am University College London beschäftigt. „Dass es auch die ersten Daten des Instruments sind, die überhaupt publiziert wurden, freut uns natürlich besonders.“ Kirchschlager erstellte im Rahmen seiner Forschungen an der CAU die Machbarkeitsstudie zu den Beobachtungen an Kappa Tucanae. Denn Staubringe sind im astronomischen Sinne nicht nur winzig, sondern auch verhältnismäßig leuchtschwach. „Damit haben sie selbst Matisse vor besondere Herausforderungen gestellt. Dass die Beobachtungen trotzdem geglückt sind, unterstreicht das einzigartige Potential des Instruments“, betont Mitautor Steve Ertel, der als Doktorand in Wolfs Arbeitsgruppe an Trümmerscheiben forschte und mittlerweile an der University of Arizona tätig ist.
„Die jetzt gesammelten und ausgewerteten Beobachtungsdaten bilden die Grundlage für unsere weitere Forschung an einem Erklärungsmodell für die heißen Staubringe“, sagt Wolf, Vizesprecher in der Forschungsgruppe 2285 „Trümmerscheiben in Planetensystemen“, die an der Friedrich-Schiller-Universität Jena angesiedelt ist unter dem Sprecher Alexander Krivov.
CAU / DE