Heiße Supraleiter für Quantencomputer
Quanteneffekte in Nanodrähten aus Hochtemperatur-Supraleitern analysiert.
Die Entwicklung eines Quantencomputers, der Probleme lösen kann, die klassische Computer nur mit großem Aufwand oder gar nicht meistern – das ist das Ziel, das derzeit Forscherteams auf der ganzen Welt verfolgen. Als vielversprechende Bauteile, um Quantencomputer zu realisieren, gelten Supraleiter. Ein Knackpunkt supraleitender Nanostrukturen ist jedoch, dass sie nur bei sehr niedrigen Temperaturen funktionieren. Doch nun haben Forscher der Universität Münster und des Forschungszentrums Jülich erstmals eine Energiequantisierung in Nanodrähten aus Hochtemperatur-Supraleitern nachgewiesen. Der supraleitende Nanodraht nimmt nur noch ausgewählte Energiezustände an, die zur Kodierung von Informationen genutzt werden könnten. In den Hochtemperatur-Supraleitern beobachteten die Forscher außerdem erstmals die Aufnahme eines einzelnen Photons, das der Informationsübertragung dient.
„Unsere Ergebnisse können zum einen dazu beitragen, zukünftig eine erheblich vereinfachte Kühltechnik in den Quantentechnologien einzusetzen, zum anderen bieten sie uns vollkommen neue Einblicke in die immer noch unverstandenen Prozesse supraleitender Zustände und deren Dynamik“, sagt Carsten Schuck vom Physikalischen Institut. Die Wissenschaftler nutzten Hochtemperatur-Supraleiter aus den Elementen Yttrium, Barium, Kupferoxid und Sauerstoff, kurz YBCO, aus denen sie wenige Nanometer dünne Drähte herstellten. Wenn Strom durch diese Strukturen geleitet wird, kommt es zu physikalischen Dynamiken, die Phasenschlupf genannt werden. Im Falle der YBCO-Nanodrähte können Fluktuationen der Ladungsdichte bewirken, dass sich der Suprastrom ändert. Die Forscher untersuchten die Vorgänge in den Nanodrähten bei Temperaturen von unter zwanzig Kelvin. In Kombination mit Modell-Rechnungen wiesen sie eine Quantisierung der Energiezustände in den Nanodrähten nach.
Die Temperatur, bei der die Drähte in den Quantenzustand übergingen, lag bei zwölf bis 13 Kelvin – eine Temperatur, die einige hundertmal höher ist als die Temperatur, die bei den üblicherweise eingesetzten Materialien benötigt wird. Somit war es möglich, Resonatoren mit viel längeren Lebenszeiten herzustellen und die quantenmechanischen Zustände länger aufrecht zu halten. Das ist eine Voraussetzung dafür, langfristig immer größere Quantencomputer zu entwickeln.
Weitere wichtige Bauteile für die Entwicklung von Quantentechnologien, aber potenziell auch für die medizinische Diagnostik, sind Detektoren, die selbst einzelne Photonen nachweisen können. Bereits seit einigen Jahren arbeitet die Forschergruppe um Carsten Schuck daran, solche Einzelphotonen-Detektoren auf Basis von Supraleitern zu entwickeln. Was bei tiefen Temperaturen schon gut klappt, versuchen Wissenschaftler auf der ganzen Welt seit mehr als einem Jahrzehnt auch mit Hochtemperatur-Supraleitern zu erreichen. In den nun verwendeten YBCO-Nanodrähten gelang dieser Versuch erstmalig. „Unsere neuen Erkenntnisse ebnen den Weg für neue experimentell überprüfbare theoretische Beschreibungen und technologische Entwicklungen“, betont Martin Wolff aus der Forschergruppe Schuck.
U. Münster / JOL
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
M. Lyatti et al.: Energy-level quantization and single-photon control of phase slips in YBa2Cu3O7–x nanowires, Nat. Commun. 11, 763 (2020); DOI: 10.1038/s41467-020-14548-x - Arbeitsgruppe von Carsten Schuck, Physikalisches Institut, Universität Münster