Im Rahmen von RadioAstron ist es mit einem 10-Meter-Radioteleskop an Bord des russischen Weltraumsatelliten Spektr-R gelungen, einen hochaufgelösten Blick auf die Zentralregion des Quasars 3C 273 bei 18, 6 und 3 Zentimeter Wellenlänge zu erhalten. Diese bahnbrechenden Beobachtungen gelangen mit vier der größten Radioteleskope der Erde, darunter das 100-Meter-Radioteleskop Effelsberg. Sie ermöglichen eine vorher nicht erreichte Empfindlichkeit für Radiostrahlung bis zu einer Winkelauflösung von nur 26 Mikrobogensekunden. Die Auflösung wurde durch die Kombination der Radiosignale aller beteiligten Teleskope erreicht, entsprechend einem virtuellen Radioteleskop von fast achtfachem Erddurchmesser.
Abb.: Ein supermassereiches schwarzes Loch im Zentrum wird von einer umgebenden Gas- und Staubscheibe mit Materie „gefüttert”. (künstlerische Darstellung, Bild: W. Steffen, UNAM, Mexico)
In den Zentren von massereichen Galaxien sitzen supermassereiche schwarze Löcher mit millionen- bis milliardenfacher Masse unserer Sonne. Diese schwarzen Löcher bilden den Motor für energiereiche Materiestrahlen oder Jets, deren Abstrahlung oft die von sämtlichen Sternen in der Galaxie zusammengenommen übertrifft. Aber es gibt eine physikalische Grenze für die Gesamthelligkeit der Jets: Wenn die Elektronen eine Temperatur von rund 100 Milliarden Grad übersteigen, entsteht eine Wechselwirkung mit ihrer eigenen Abstrahlung, wobei Röntgen- und Gammastrahlen gebildet werden und das Ganze sehr schnell abkühlt.
Im Fall der aktuellen Radiobeobachtungen des Quasars 3C 273 scheint eine verblüffende Verletzung dieses lange akzeptierten theoretischen Grenzwerts aufzutreten. „Wir messen eine Effektivtemperatur von mehr als 10 Billionen Grad im Zentralbereich dieses Quasars“, sagt Yuri Kovalev vom Astro Space Center des Lebedev-Physikinstituts in Moskau, der RadioAstron-Projektwissenschaftler. „Dieses Ergebnis stellt eine große Herausforderung für unsere derzeitigen Annahmen dar, wie relativistische Jets in Quasaren ihre Energie abstrahlen.“
Um diese Ergebnisse zu erhalten, hat das Forscherteam Beobachtungen mit dem Weltraum-Interferometer RadioAstron durchgeführt. Dieses Instrument besteht aus einem Radioteleskop auf einer Umlaufbahn um die Erde, das mit einigen der größten Radioteleskope auf der Erde verbunden wird: dem 100-Meter-Radioteleskop Effelsberg, dem 110-Meter-Green-Bank-Radioteleskop, dem 300-Meter-Arecibo-Teleskop sowie den Radioantennen des „Very Large Array“ (VLA) in den USA. Im Interferometriebetrieb zusammengeschaltet, erreichen diese Observatorien die höchste direkte Winkelauflösung überhaupt in der Astronomie, einige Tausend Mal höher als die des Hubble-Teleskops in optischen Wellenlängen. Die Spektr-R Antenne von RadioAstron befindet sich auf einer elliptischen Umlaufbahn um die Erde, auf der sie im Apogäum einen maximalen Erdabstand von 350.000 km erreicht. Das entspricht einem virtuellen Radioteleskop mit bis zu 27-fachem Erddurchmesser.
Abb.: Künstlerische Darstellung des 10-Meter-Weltraum-Radioteleskops an Bord des russischen Spektr-R Satelliten, der die Weltraumkomponente des RadioAstron-Projekts darstellt. (Bild: Astro Space Center of Lebedev Physical Institute)
„RadioAstron hat so extreme hohe Strahlungstemperaturen bereits in einer ganzen Reihe von Objekten gemessen hat, darunter auch wie erst kürzlich berichtet im Galaxienkern von BL Lacertae“, sagt Andrei Lobanov, der Koordinator der RadioAstron-Aktivitäten am Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR). „Das weist in der Tat darauf hin, dass wir neue physikalische Annahmen zur Erklärung der Energiequellen für die Strahlung in Quasaren benötigen.“
Aber die unglaublich hohen Temperaturen stellten nicht die einzige Überraschung bei der Analyse der RadioAstron-Messergebnisse von 3C 273 dar. Das Forscherteam entdeckte noch einen weiteren Effekt, der bisher nie in einer extragalaktischen Quelle sichtbar wurde: Das Radiobild von 3C 273 zeigt Unterstrukturen, die vom Durchgang der Strahlung durch sehr stark verdünntes interstellares Plasma in unserer Milchstraße hervorgerufen werden.
„So ähnlich wie ein Bild bei der Betrachtung durch die heiße turbulente Luft über einer Kerzenflamme verzerrt wird, verzerrt auch das turbulente Plasma in unserer Milchstraße die Bilder von weit entfernten astrophysikalischen Quellen wie z.B. Quasaren“, erklärt Michael Johnson vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA), der Erstautor der Untersuchung über die Bildverzerrungen. „Die Details in der Struktur des turbulenten Materials sind so kleinräumig, dass wir diese Verzerrungen vorher überhaupt nicht wahrnehmen konnten. Erst die erstaunlich hohe Winkelauflösung von RadioAstron gibt uns ein Werkzeug in die Hand, um sowohl die extreme Physik in der unmittelbaren Umgebung von supermassereichen Schwarzen Löchern in den Zentren von fernen Galaxien zu erforschen als auch das diffuse Plasma in unserer Milchstraße.“
„Unser Forschungsteam ist schon sehr lange dabei, die VLBI-Technik auf Weltraum-Radioteleskope zu erweitern, um so Basislinien zu erhalten, die den Durchmesser der Erde bei weitem übertreffen”, schließt Anton Zensus, Direktor und Leiter der Forschungsabteilung Astronomie/VLBI am MPIfR. „Die neuen Entdeckungen zu 3C 273 sind ein wunderbares Beispiel für unsere erfolgreich Zusammenarbeit im Rahmen des RadioAstron-Projekts.”
MPIfR / DE