20.01.2020

Heißer Nachschub für die Milchstraße

Warmes ionisiertes Gas strömt aus dem interstellaren Medium in die Spiralarme.

Ein internationales Forschungsteam, mit Beteiligung von Astronomen des Max-Planck-Instituts für Astronomie (MPIA), hat wichtige Erkenntnisse darüber gewonnen, woher das Material in den Spiralarmen der Milchstraße stammt, aus dem sich letzt­endlich neue Sterne formen. Durch die Analyse von Eigenschaften des galaktischen Magnetfelds konnten sie zeigen, dass das dünn verteilte warme ionisierte Medium (WIM), in das die Milchstraße eingebettet ist, sich in der Nähe eines Spiralarms verdichtet. Während es allmählich abkühlt, dient es als Nachschub für das kältere Material aus Gas und Staub, das die Stern­entstehung füttert. 
 

Abb.: Ausschnitt der THOR-Durch­musterung in der Nähe des Sagittarius­arms...
Abb.: Ausschnitt der THOR-Durch­musterung in der Nähe des Sagittarius­arms der Milch­straße (Bild: J. Stil / U. Calgary / MPIA)

Die Milchstraße ist eine Spiralgalaxie, eine scheibenförmige Sterneninsel im Kosmos, in der sich die meisten hellen und jungen Sterne in Spiralarmen anhäufen. Dort entstehen sie aus dem dichten interstellaren Medium (ISM), das aus Gas (insbesondere Wasserstoff) und Staub (mikroskopische Körper mit hohen Anteilen an Kohlenstoff und Silizium) besteht und sich auf Bildern als dunkles Band vor dem Sternenhintergrund abhebt. Damit stetig neue Sterne entstehen können, muss laufend Material in die Spiralarme gespült werden, welches den Vorrat an Gas und Staub wieder auffüllt.

Eine Gruppe von Astronomen der Universität Calgary in Kanada, des Max-Planck-Instituts für Astronomie (MPIA) in Heidelberg und anderen Forschungs­einrichtungen konnte nun zeigen, dass der Nachschub von einer deutlich heißeren Komponente des ISM stammt, die gewöhnlich die gesamte Milchstraße einhüllt. Dieses warme ionisierte Medium (WIM) hat eine mittlere Temperatur von 10.000 Grad. Energiereiche Strahlung von heißen Sternen führt dazu, dass das Wasserstoffgas des WIM größtenteils ionisiert ist. Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass das WIM sich in einem schmalen Bereich nahe eines Spiralarms verdichtet und allmählich unter Abkühlung hineinfließt.

Dem dichten WIM auf die Spur gekommen sind die Wissenschaftler durch die Vermessung der Faradayrotation. Dabei ändert sich die Polarisationsrichtung von linear polarisierter Radiostrahlung, wenn sie durch ein Plasma läuft, das von einem Magnetfeld durchzogen ist. Das Ausmaß der Richtungs­änderung der Polarisation hängt zudem von der beobachteten Wellenlänge ab.

In der vorliegenden Studie konnten die Astronomen ein ungewöhnlich starkes Signal in einem eher unscheinbaren Bereich der Milchstraße ermitteln, der sich unmittelbar an der Seite des Sagittarius­arms der Milchstraße anschmiegt, die dem galaktischen Zentrum zugewandt ist. Der Spiralarm selbst sticht in den Bilddaten durch starke Radiostrahlung heraus, die von eingebetteten heißen Sternen und Supernovaüberreste erzeugt wird. Die stärkste Verschiebung der Polarisation findet sich jedoch außerhalb dieser markanten Zone. Daraus folgern die Astronomen, dass die erhöhte Faradayrotation nicht innerhalb dieses aktiven Teils des Spiralarms entspringt. Demnach stammt es von verdichtetem WIM, welches wie das Magnetfeld zu einer weniger offensichtlichen Komponente des Spiralarms gehört.

Die Analyse basiert auf der THOR-Durchmusterung (The HI/OH Recombination Line Survey of the Milky Way), die seit einigen Jahren am MPIA erstellt und in der ein großer Bereich der Milchstraße bei mehreren Radiowellen­längen beobachtet wird. Polarisierte Strahlungs­quellen wie weit entfernte Quasare oder Neutronensterne dienen als Sonden zur Bestimmung der Faradayrotation. Somit können die Astronomen nicht nur die ansonsten schwierig zu vermessenden Magnetfelder in der Milchstraße ausfindig machen, sondern die Struktur und Eigenschaften des heißen Gases ergründen. „Das starke Signal in einem eher unauffälligen Bereich der Milchstraße hat uns sehr überrascht“, sagt Henrik Beuther vom MPIA, der das THOR-Projekt leitet. „Diese Ergebnisse zeigen uns, dass es bei der Erforschung der Struktur und der Dynamik der Milchstraße immer noch viel zu entdecken gibt.“

MPIA / DE

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