Heliumstrahlen am Sonnenrand
Die kühlen Fasern im Innern von Protuberanzen sind gegen ihr heißes Umfeld abgeschirmt.
Protuberanzen sind Wolken aus Plasma – ionisiertem Gas –, die weit oberhalb der Sonnenoberfläche schweben und mehr als 100.000 Kilometer über ihren Rand hinausragen können. Über die Struktur der Wolken war bislang bekannt, dass sie im Inneren aus bis zu 150 Kilometer dicken „Fasern“ bestehen. Diese sind mit einer Temperatur von rund 7000 Grad deutlich kälter als ihre Umgebung, die bis zu 1,5 Millionen Grad heiße Korona. Ein internationales Forscherteam mit Göttinger Beteiligunghat nun herausgefunden, wie die Protuberanzen gegen ihr heißes Umfeld abgeschirmt sind: Offenbar hat jede einzelne Faser eine Hülle, die sie umgibt wie die Isolierschicht eines Kabels und in der die Temperatur nach außen hin steigt.
Abb.: Protuberanzen über dem Sonnenrand im Licht der roten Wasserstofflinie H-alpha mit Messspalt (weiß) und der blauen Emission des Ortho-Heliums, überlagert vom Spektrum des Himmels-Streulichts; darunter das 100-fach abgeschwächte Spektrum der Sonnen-Scheibe, auf der Helium nicht emittiert wird. (Bild: U. Nolte, GWDG / GAU)
Die Wissenschaftler benutzten bei ihrer Studie das Tessiner Sonnenteleskop, dessen spezielle Konstruktion das helle Licht der Sonne ausblendet, so dass die sehr schwachen Emissionen des Heliums in den Protuberanzen messbar werden. Sie untersuchten drei verschiedene Formen von Helium, die bei unterschiedlichen Temperaturen zum Leuchten gebracht werden. Dabei fanden sie heraus, dass die Temperatur vom Innern der Faser in Richtung Korona von 7000 Grad über 8750 Grad auf rund 25.000 Grad steigt. „Die äußere Schicht dieser Hülle kann aber nur wenige Kilometer dick sein. Damit ist sie in keinem Teleskop mehr sichtbar und kann nur indirekt gemessen werden“, so Eberhard Wiehr vom Institut für Astrophysik der Universität Göttingen.
Abb.: Protuberanz mit vertikalen Faserstrukturen über dem Sonnenrand (unten) im Licht der H-alpha-Linie, aufgenommen mit dem Vakuumturmteleskop (VTT) auf Teneriffa. (Bild: E. Wiehr, GAU)
Darüber hinaus gingen die Forscher der Frage nach, ob jede Faser eine eigene Hülle hat oder ob die ganze Protuberanz durch eine „Gesamt-Hülle“ geschützt wird. „Die abgestrahlte Energie der drei Formen des Heliums zeigt ein konstantes Verhältnis in allen untersuchten Protuberanzen verschiedenster Größe. Das ist ein Hinweis auf viele schmale Hüllen um jede einzelne Faser“, so Wiehr. In weiteren Untersuchungen soll es nun darum gehen, die verschiedenen Plasmaschichten in den Hüllen zu modellieren und eine Erklärung für die faserige Struktur der Protuberanzen zu finden.
GAU / OD