Herkunft der Sterne in der Milchstraße
Alter und chemische Zusammensetzung weisen auf den Geburtsort eines Sterns hin.
Seit langem ist bekannt, dass sich Sterne in Galaxienscheiben aufgrund der radialen Wanderung von ihren Geburtsorten entfernen. Die Bewegung wird von zahlreichen Faktoren beeinflusst; zum Beispiel die Größe und Geschwindigkeit des galaktischen Balkens, die Anzahl und Form der Spiralarme in der Galaxie und die Häufigkeit mit der kleinere Galaxien während der letzten zehn Milliarden Jahre mit der Milchstraße kollidiert sind. Die Astrophysiker um Ivan Minchev am Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) haben nun einen Weg entwickelt, die Herkunft der Sterne in der Milchstraße unter Nutzung ihres Alters und der chemischen Zusammensetzung als archäologische Artefakte zu rekonstruieren.
Abb.: Alter und chemische Zusammensatzung weise auf die Geburtsorte von 600 sonnennahen Sternen in der Milchstraße hin. (Bild: I. Minchev, AIP)
Dabei berücksichtigten sie, dass die Entstehung von Sternen in der Scheibengalaxie allmählich nach außen fortschreitet. Sterne, die an einer bestimmten Position zu einer bestimmten Zeit geboren wurden, weisen eine ausgeprägte chemische Zusammensetzung auf. Wenn also das Alter und die chemische Zusammensetzung – etwa der Eisengehalt – eines Sterns sehr genau gemessen werden kann, ist es möglich, direkt auf seinen Geburtsort in der Galaxie zu schließen. Das Team verwendete eine Stichprobe von etwa 600 sonnennahen Sternen, die mit dem hochauflösenden Spektrographen HARPS am 3,6-Meter-Teleskop des ESO-La-Silla-Observatoriums in Chile beobachtet wurden. Dank den sehr genauen Messungen ihres Alters und Eisengehalts stellten sie Wissenschaftler fest, dass diese Sterne verteilt über die gesamte galaktische Scheibe geboren wurden, wobei die älteren mehr aus den zentralen Teilen stammen.
Die Methode lässt sich nun auf andere Sterne übertragen – beispielsweise unsere Sonne. Angesichts ihres Alters von 4,6 Milliarden Jahren und ihres Eisengehalts, geht Minchev davon aus, dass die Sonne bei ihrer Entstehung etwa 2.000 Lichtjahre näher am galaktischen Zentrum geboren wurde. Minchev kommentiert: „Bereits die Kenntnis der Herkunftsorte dieser relativ kleinen Anzahl von Sternen mit genauen Messungen enthüllt unschätzbare Informationen über die Vergangenheit unserer Milchstraße.“ Sein Kollege Friedrich Anders ergänzt: „In naher Zukunft wird die Anwendung dieser Methode auf die extrem hochwertigen Daten der Gaia-Mission und bodengestützte spektroskopische Untersuchungen wesentlich genauere Messungen der Migrationshistorie und damit der Geschichte der Milchstraße ermöglichen.“
AIP / JOL