Heute Nacht geschieht der letzte Venustransit in diesem Jahrhundert
Update – Jetzt oder nie: Vom 5. auf den 6. Juni zieht Venus vor der Sonne vorbei – zum letzten Mal für über hundert Jahre. Vielleicht lässt sich auch das erst kürzlich verstandene Phänomen des „Venuslichtbogens“ beobachten.
Ein seltenes und wichtiges Datum steht den Astronomen und Planetenforschern bevor: Zwischen 22:09 Uhr am 5. Juni und 4:49 Uhr am 6. Juni (Weltzeit) wandert die Venus von der Erde aus gesehen an der Sonne vorbei. Nach mitteleuropäischer Sommerzeit muss man zwei Stunden hinzuzählen. Da der Sonnenaufgang in Mitteleuropa zwischen halb fünf und fünf stattfindet, ist das Ende des über sechsstündigen Transits also auch hierzulande zu beobachten. Man benötigt nichts weiter als freien Nordostblick und einen Sonnenfilter. Eine Sicherheitswarnung vorweg: Mit bloßem Auge kann man zwar kurz in die aufgehende Morgensonne blinzeln, der filterlose Gebrauch von Ferngläsern kann jedoch zu sofortiger Zerstörung der Netzhaut führen, da der Lidschlussreflex für solche Lichtintensitäten nicht schnell genug ist.
Abb.: Hubble soll untersuchen, wie viel Daten über die Venusatmosphäre sich aus der Reflektion an der Mondoberfläche gewinnen lassen. (Bild: NASA / ESA / A. Feild, STScI)
Venustransits ereignen sich regelmäßig, sie treten jeweils paarweise mit acht Jahren Abstand auf. Zwischen den Paaren liegen abwechselnd 105,5 und 121,5 Jahre. Der letzte Transit hat 2004 stattgefunden, der nächste wird erst im Jahr 2117 geschehen. Historisch waren Venustransits von großer Bedeutung für die Astronomie, denn sie erlauben unter anderem per Triangulation die Berechnung der Distanz zur Sonne. Der erste Nachweis eines Venustransits geschah 1639 durch nur zwei Astronomen. Bereits der darauffolgende Transit 1761 wurde von Hunderten Expeditionen erforscht.
Vielleicht kann man morgen früh auch einen Blick auf den „Venuslichtbogen“ erhaschen: Ein heller, glühender Ring umgab die Venus bei ihrem letzten Transit im Jahr 2004, kurz nachdem sie sich vor die Sonne geschoben hatte. Damals waren die Forscher überrascht, heute wissen sie, was sich zugetragen hat. Die Strahlen der Sonne brachen sich in Luftschichten oberhalb der Wolkenobergrenze des Planeten. Wie sich zeigte, können die Forscher aus der Untersuchung dieses „Feuerrings“ viel über die Venus herausfinden. Beispielsweise über die Superrotation ihrer Atmosphäre. Die gesamte Atmosphäre umrundet den Planeten in lediglich vier Erdentagen und benötigt damit um Größenordnungen weniger Zeit, als die planetare Umdrehung von 243 Tagen. Die Helligkeit des Lichtbogens verrät Temperatur und Dichte der Venus-Mesosphäre, in der sich das Sonnenlicht bricht. Nach einigen Modellen ist die Mesosphäre der entscheidenden Ort für die Superrotation der Venus. Durch die Analyse des Lichtbogens könnten sich also neue Erkenntnisse über die schnell rotierende Atmosphäre einstellen. Als der Bogen 2004 zum ersten Mal beobachtet wurde, überraschte er die Astronomen und entzog sich so einer genauen Vermessung.
Abb.: Drei Bilder des Venuslichtbogens, den ein Hobby-Astronom während des Transits 2004 nahe Toulouse, Frankreich aufgenommen hat. (Bild: A. Rondi)
Heute versprechen sich Astrophysiker in allen Ländern von dem Ereiginis neue Erkenntnisse über die Zusammensetzung der Venusatmosphäre. Nur bei Sonnentransits können sie die gesamte Venusscheibe gleichzeitig spektroskopisch auflösen. Planetenforscher wie Jay Pasachoff versprechen sich hiervon auch die seltene Möglichkeit, ihre Methoden zur Untersuchung von Exoplaneten zu kalibrieren. Mit unterschiedlichen Filtern wird eine große Zahl von Teleskopen das Schauspiel am Himmel analysieren.
Das Weltraumteleskop Hubble kann mangels geeigneter Filter nicht direkt Richtung Sonne schauen. Stattdessen wird Hubble die leichte Verdunkelung des Mondes beobachten. Diese beträgt gerade einmal 0,1 Prozent. Auch dies dient der Kalibration von Methoden zur Erforschung von Exoplaneten. Die Forscher wollen einen solchen indirekten Nachweis auch am 20. September erproben, wenn Venus zwischen Sonne und Jupiter steht. Hubble soll dann Jupiter ins Visier nehmen. 2014 schließlich steht ein Erdtransit vor Jupiter an. Wie Pasachoff betont, leben wir in einem „goldenen Zeitalter der Planetentransits“. Es sei unsere moralische Verpflichtung, künftigen Astronomen möglichst umfangreiche Daten zur Verfügung zu stellen. Hobbyastronomen, die noch kein Ticket für Jupiter gebucht haben, sollten sich die Gelegenheit des Venustransfers am 6. Juni also nicht entgehen lassen.
Dirk Eidemüller
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