Hochtemperatur-Ferrosupraleiter
Verbindung aus supraleitenden und ferromagnetischen Schichten besitzt Vortex-Phase.
Supraleitung und Ferromagnetismus schließen sich normalerweise aus: Ferromagneten sind magnetisch, weil in ihrem Inneren ein starkes Magnetfeld vorliegt. Supraleiter dagegen verdrängen Magnetfelder aus ihrem Inneren. LMU-Chemikern ist es nun gelungen, diese Gegensätze zu überwinden: „Wir haben eine neue Verbindung synthetisiert, die als ferromagnetischer Supraleiter beide Eigenschaften in sich vereint“, sagt Dirk Johrendt vom Department Chemie, „dieser Erfolg ist ein wichtiger Fortschritt, der der Forschung ganz neue Möglichkeiten eröffnet“.
Abb.: Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme der Verbindung (links), einzelner Kristall (rechts, Bild: U. Pachmayr et al.)
Dass Supraleitung und Ferromagnetismus in einem Material gemeinsam vorkommen, ist sehr selten und wurde bisher fast nur bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt beobachtet. „Die von uns synthetisierte schichtartige Verbindung (Li,Fe)OH(FeSe) hat den großen Vorteil, dass sie auch bei höheren Temperaturen funktioniert, die im Labor leichter handhabbar sind“, sagt Johrendt.
Die neue Verbindung besteht aus zwei unterschiedlichen Schichten, die abwechselnd aufeinander folgen: Einer supraleitenden Eisenselenid-Schicht (FeSe) und einer ferromagnetischen Lithium-Eisen-Hydroxid-Schicht (Li,Fe)OH. Wird die Verbindung auf Temperaturen unterhalb von minus 230 Grad Celsius abgekühlt, entsteht zunächst Supraleitung in der Eisenselenid-Schicht. Bei etwas tieferen Temperaturen erzeugen die Eisenatome in der Lithium-Eisen-Hydroxid-Schicht zusätzlich einen ferromagnetischen Effekt, ohne dass die Supraleitung verschwindet.
In Kooperation mit Physikern der Technischen Universität Dresden und des Paul-Scherrer-Instituts in Villingen (Schweiz) konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass das von der ferromagnetischen Schicht ausgehende Magnetfeld den Supraleiter durchdringt – und zwar spontan und ohne äußeren Einfluss. Dieser neue Zustand der Materie wird als spontane Vortex-Phase bezeichnet. In bestimmten Supraleitern kann zwar durch ein von außen angelegtes Magnetfeld ein ferromagnetischer Effekt erzeugt werden, aber die wenigen bisher bekannten Stoffe mit dieser Eigenschaft waren chemisch kaum modifizierbar und konnten wegen der erforderlichen extrem niedrigen Temperaturen nur mit großem Aufwand untersucht werden. „Unser neues Material bietet erstmalig gute Möglichkeiten, die Koexistenz von Supraleitung und Ferromagnetismus chemisch zu beeinflussen, sodass in Zukunft umfassendere Studien dieses faszinierenden Phänomens möglich werden“, schließt Johrendt.
Angew. Chem. / DE