26.07.2011

Hoffnungsvolle Entwicklungen

Die neuen Möglichkeiten der Lehramtsausbildung sollten genutzt werden.

Im März 2006 hat die DPG die Studie „Thesen für ein modernes Lehramtsstudium im Fach Physik“ vorgelegt. Der Anlass war bedrückend: Physik galt in Schule und Gesellschaft als unbeliebt, manchmal gar als verhasst, oft abgewählt, ihr Anteil am Unterricht war rückläufig.

Heute werden die Themen Schule und Lehrer heftiger diskutiert denn je – aber auch mit neuen Ansätzen und Impulsen. So sind z. B. die bei Lehrern, Schülern und Eltern als Zwangsjacke verschrienen landeseinheitlichen Lehrpläne den Kompetenz- und Bildungsstandards gewichen. Das eröffnet neue Möglichkeiten, die wir nutzen müssen, um unsere Lehramtsstudiengänge dementsprechend zu gestalten. Die Frage sei erlaubt, ob die DPG sich bei der Formulierung der Kompetenz- und Bildungsstandards in Physik weiterhin so zurückhalten sollte oder sich nicht vielmehr engagieren müsste?

Prof. Dr. Siegfried Großmann, Universität Marburg. Der emeritierte Professor für theoretische Physik ist einer der beiden Autoren der „Thesen für ein modernes Lehramtsstudium im Fach Physik“.

Eine Reihe von Physik-Fakul­täten hat den Gedanken der eigen­ständigen Lehramtsausbildung aufgegriffen und spezifische Lehr­veranstaltungen mit eigenem ­Kanon realisiert: So ist beispielsweise an der Humboldt-Universität in Berlin die ganze Lehramtsausbildung eigenständig. An der Universität Heidelberg sind neue Praktika und Lehrveranstaltungen konzipiert worden, und der Physikfachbereich in Bremen bietet mehrere Module der Experimentalphysik lehramtsspezifisch an. Die Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung fördert die Lehramtsausbildung in Physik durch die Verleihung von Seniorprofessuren, mit dem Ziel, neue Ideen zu entwickeln. Und ähnlich wie sich die DPG in ihrer großen Denkschrift der Lehramtsausbildung gewidmet hat, wirbt auch die GDNÄ mit sehr konkreten Ideen für eine inhaltlich tiefgreifende Wandlung des naturwissenschaftlichen Unterrichts und damit der Lehramtsausbildung.

Als Physiker fühlen wir uns am wohlsten bei exzellenter Fachausbildung. Ebenso wahr ist, dass Lehrer mit großer fachlicher Kompetenz hoch geschätzt sind. Wir müssen uns größte Mühe geben, die zukünftigen Physiklehrer(innen) im Fach so gut wie möglich auszubilden. Gerade das aber ist die Herausforderung: sie hervorragend auszubilden in einer leider sehr kurz bemessenen Zeit. Ein nur partiell zu absolvierender Fachphysiker-Studiengang leistet das nicht; dann können die Absolventen vielleicht mit kanonischen Transformationen und Kugelfunktionen umgehen, haben aber nichts über Teilchen- oder Astrophysik gelernt und oft nicht einmal ausreichend Quanten­mechanik verstanden.

Führen wir uns die Randbedingungen noch einmal vor Augen: Wir haben in der Lehramtsausbildung für die Physik nur etwa 30 Prozent der Ausbildungszeit von Vollphysikern zur Verfügung plus 10 Prozent für Fachdidaktik. Die gilt es optimal zu nutzen. Klar, wir könnten politisch versuchen, diesen Rahmen zu vergrößern; aber bisher sind uns dabei Erfolge versagt geblieben. Gewiss dürfen wir uns auch nicht auf die späteren Leistungskurs-Lehrer beschränken. Wer soll denn die Grundkurse, wer die anderen Klassenstufen und Schultypen unterrichten, in denen die Schüler oft noch begeisterter und lernbegieriger für Naturwissenschaften sind? Hier sollten wir uns nicht freiwillig zurückziehen.

Es kommt in der Schule darauf an, physikalisches Grundverständnis und Wissen für alle zu vermitteln, gerade auch für jene, deren Interessen eher andere sind; die späteren Physiker gehen allemal ihren Weg. Also müssen wir Hochschullehrer den angehenden Lehrerinnen und Lehrern die Physik so vermitteln, dass sie davon begeistert sind und es nachahmend später genauso machen wollen und können. Wir müssen dabei die Physik als Ganzes im Auge behalten, orientiert jedoch an exemplarischen Teilfragen, die an das Interesse der Schülerinnen und Schüler anknüpfen. Fachsystematik nützt den Lehramtsstudierenden nicht per se. Interessante Fragen sollen sie beantworten können. An solchen positiv besetzten Beispielen kann man ganze Gebiete der Physik entwickeln und das Interesse nutzen. Dieses Vorgehen muss man in der eigenen Ausbildung exemplarisch erfahren haben.

Letztlich geht es nicht um die Frage „Was muss ein guter Lehrer alles wissen?“. Vielmehr ist auszuarbeiten, was man in der vorgegebenen Zeit von 6 SWS (plus 2 SWS Didaktik) pro Semester vernünftigerweise vermitteln und lernen kann. Und zwar über die ganze Physik, anhand motivierender und aktueller Beispiele und so, dass die Lehrer kompetent im ganzen Fach werden und ihre Schüler sie als fachlich kompetent anerkennen. Wenn sie Antworten nicht immer gleich parat haben, sollten sie doch wissen, wie man sie sich beschafft.

Noch ist vieles in der Gestaltung einer guten Lehramtsausbildung unerledigt. Doch es gibt hoffnungsvolle Entwicklungen. Arbeiten wir alle daran mit!

Siegfried Großmann

Weitere Infos

Virtuelle Jobbörse

Virtuelle Jobbörse
Eine Kooperation von Wiley-VCH und der DPG

Virtuelle Jobbörse

Innovative Unternehmen präsentieren hier Karriere- und Beschäftigungsmöglichkeiten in ihren Berufsfeldern.

Die Teilnahme ist kostenfrei – erforderlich ist lediglich eine kurze Vorab-Registrierung.

Weiterbildung

Weiterbildungen im Bereich Quantentechnologie
TUM INSTITUTE FOR LIFELONG LEARNING

Weiterbildungen im Bereich Quantentechnologie

Vom eintägigen Überblickskurs bis hin zum Deep Dive in die Technologie: für Fach- & Führungskräfte unterschiedlichster Branchen.

Meist gelesen

Themen