10.06.2016

Hunderte von Atomen verschränkt

Erfolgreicher Testlauf eines Quanten­simu­lators mit 219 Ionen.

Es ist ein neuer Rekord: Forscher am National Institute of Standards and Tech­no­logy in den USA haben 219 Beryllium­ionen in einer Ionen­falle mitein­ander quanten­mechanisch verschränkt. Damit haben sie zugleich den ersten Test­lauf eines neuen Quanten­simu­lators erfolg­reich durch­geführt.

Abb.: Winzige Coulomb-Kristalle aus N Beryllium­ionen sind das Herz­stück des neuen Quanten­simu­lators. (Bild: J. G. Bohnet et al. / AAAS)

Das Verhalten von Quantensystemen aufzuklären, die aus vielen wechsel­wirkenden Teil­chen bestehen, ist ein schwieriges Unter­fangen. Solche Systeme unter­suchen Forscher etwa im Zusammen­hang mit Hoch­temperatur­supra­leitung, Quanten­magne­tismus und Quanten­phasen­über­gängen. Bei der nume­rischen Analyse und der Simu­lation der Systeme stoßen her­kömmliche Computer schnell an ihre Grenzen, sodass die Zahl der berück­sich­tigten Teilchen oder Freiheits­grade nicht allzu groß sein darf.

Als Ausweg aus diesem Dilemma hatte Richard Feynman 1982 vorge­schlagen, das Verhalten von Quanten­viel­teilchen­systemen direkt quanten­mechanisch zu simu­lieren. Die dazu benutzten Quanten­simu­latoren müssten eine große Zahl von Spins enthalten, deren Zustände und Wechsel­wirkungen kontrolliert werden können. Über das Verhalten des Systems würde man sich einen Über­blick verschaffen, indem man viele Simu­lations­läufe durch­führt und den jeweiligen End­zu­stand des Systems misst.

Feynmans Vision eines Quantensimulators ist in den Bereich des Möglichen gerückt, seit man den Quanten­zustand von Systemen aus neutralen Atomen, Ionen oder supra­leitenden Quanten­bits immer besser kontrol­lieren kann. Mit Beryllium­ionen in einer Penning-Falle haben Forscher um Justin Bohnet und John Bollinger vom NIST jetzt einen Meilen­stein erreicht. Sie haben bis zu 219 Ionen kontrolliert mitein­ander wechsel­wirken lassen und dadurch in einen verschränkten Zustand gebracht. Auf diese Weise haben sie einen Ising-Quanten­magneten simuliert.

Die einfach positiv geladenen Ionen wurden dazu in der Penning-Falle mit elek­trischen und magne­tischen Feldern so fest­ge­halten, dass sie auf­grund ihrer elektro­statischen Abstoßung einen winzigen zwei­dimen­sionalen Coulomb-Kristall in der x-y-Ebene bildeten. Die Valenz­elektronen der Ionen befanden sich in ihrem Grund­zustand 2S1/2, wobei ihre Spins parallel oder anti­parallel zum Magnet­feld der Falle, das in z-Richtung zeigte, ausge­richtet waren. Durch Laser­kühlung wurden die Ionen auf eine Tempe­ratur von einem halben Milli­kelvin gebracht.

Abb.: Für sieben Coulomb-Kristalle mit 21 bis 219 Ionen war der ermittelte Squeezing-Para­meter ein­deutig kleiner als 1 (gefüllte Quadrate), sodass die Spins verschränkt gewesen sein mussten. (Bild: J. G. Bohnet et al. / AAAS)

Eine Wechselwirkung zwischen den Spins erzielten die Forscher mit einer spin­ab­hängigen optischen Dipol­kraft, indem sie die Ionen mit Laser­licht bestrahlten. Das Licht koppelte die Spin­zustände mit den Schwingungen der Ionen um ihre Ruhelagen im Kristall. Das wiederum führte zu einer paar­weisen Kopplung der z-Kompo­nenten der Spins. Die Kopplung konnte man ferro­magnetisch oder anti­ferro­magnetisch einstellen, sodass die Spins sich parallel oder anti­parallel aus­richteten. Außer­dem konnte die Stärke J, mit der zwei Spins gekoppelt waren, abhängig von deren Entfernung gemacht werden.

Auf diese Weise lässt sich ein zweidimensionaler quanti­sierter Ising-Magnet simu­lieren, den man zusätz­lich einem äußeren Magnet­feld aussetzen könnte. Vor vier Jahren hatten Bollinger und seine Kollegen erste Experi­mente mit diesem Quanten­simulator gemacht, wobei sie einen Coulomb-Kristall aus etwa drei­hundert Beryllium­ionen mit Laser­licht zu kollektiven Schwingungen angeregt und diese beob­achtet hatten. Jetzt haben sie ihr Experiment erheblich verbessert, sodass die Wechsel­wirkung zwischen den Spins stärker und die Spin­zu­stände stabiler und lang­lebiger geworden sind.

Sie haben bis zu 219 Spins zunächst alle in x-Richtung orientiert. Dann haben sie die Ising-Wechsel­wirkung zwischen den Spins einge­schaltet, die die Spins paar­weise und entfernungs­unabhängig mitein­ander koppelte. Unter dem Ein­fluss dieser Kopplung wurden alle Spins mitein­ander verschränkt, wobei sie in einen kollektiv gequetschten Zustand über­gingen, bei dem bestimmte Spin­kompo­nenten eine verringerte Unschärfe hatten. Indem die Forscher die Ionen zur Fluores­zenz anregten, konnten sie deren Zustand abfragen. Daraus gewannen sie ein­deutige Hinweise auf die Verschränkung der Spins.

Mit dem neuen Quantensimulator können Ising-Quantenmagneten mit einigen Hundert Spins unter­sucht werden. Setzt man die Spins dabei zusätzlich einem trans­versalen Magnet­feld in x-Richtung aus, so würde der Simulator wissen­schaft­liches Neuland eröffnen, da man in diesem Fall ein solch großes Spin­system mit herkömm­lichen Computern nicht mehr in den Griff bekommen kann. Außerdem könnte man mit den kollektiv verschränkten Ionen extrem präzise Sensoren oder noch genauer gehende Atom­uhren realisieren.

Rainer Scharf

RK

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