IceCube: Gamma-Ray Bursts eine Nullnummer?
Beobachtung stellt Theorie zum Ursprung der kosmischen Strahlung auf den Prüfstand.
Aus dem Kosmos prasseln subatomare Teilchen auf die Erdatmosphäre, die noch millionenfach höhere Energie haben als jene im Large Hadron Collider. Auf welche Weise diese kosmische Teilchenstrahlung so stark beschleunigt wird, ist noch weitgehend rätselhaft. Mit dem weltgrößten Neutrino-Teleskop IceCube in der Antarktis haben Forscher eine der vermuteten Arten kosmischer Super-Beschleuniger untersucht und festgestellt, dass sie möglicherweise doch nicht für die energiereichsten Teilchen verantwortlich sind. Dies stellt eine der beiden führenden Hypothesen zum Ursprung der höchstenergetischen kosmischen Teilchen infrage.
Abb.: Signatur eines nahezu horizontal fliegenden Teilchens im transparenten, von langen Ketten der IceCube-Sensoren durchzogenen Antarktis-Eis. (Bild: NSF, J. Yang)
Aussichtsreiche Kandidaten für die Quellen der höchstenergetischen Teilchen sind supermassereiche Schwarze Löcher im Zentrum aktiver Galaxien und Gamma-Ray Bursts (GRBs). „Gamma Ray Bursts sind - nach dem Urknall - die gewaltigsten Explosionen, die wir im Kosmos kennen“, betont DESY-Forscher Alexander Kappes, Gastprofessor an der Berliner Humboldt-Universität. Sie überstrahlen für einige Sekunden das gesamte restliche Universum im Bereich der Gammastrahlung. Man nimmt an, dass es sich bei langen Gamma-Ray Bursts, die mehr als zwei Sekunden lang aufflackern, um den Kernkollaps eines massereichen Sterns in einer fernen Galaxie handelt, wobei ein Schwarzes Loch entsteht.
Dieser Prozess setzt genug Energie frei, um die subatomaren Teilchen der kosmischen Strahlung auf die beobachteten Energien zu beschleunigen. Allerdings sollten mit den energiereichen Atomkernen auch Neutrinos entstehen. Um sie nachzuweisen, benutzt IceCube das ewige Eis des Südpols als Target. IceCube späht unter der Eisdecke mit mehr als 5000 Photomultipliern in rund einem Kubikkilometer antarktischem Eis nach den extrem seltenen Zusammenstößen eines Neutrinos mit einem Atomkern.
Mit diesem weltweit empfindlichsten Neutrino-Teleskop hat das internationale IceCube-Forscherteam rund 300 Gamma Ray Bursts aus den Jahren 2008 bis 2010 untersucht. Doch IceCube fand in den zwei Jahren Untersuchungszeit überraschenderweise kein einziges Neutrino, das zu einem der untersuchten Ausbrüche passt. „Aus der Beobachtung folgen zwei Möglichkeiten“, sagt Kappes. „Entweder ist unsere Vorstellung, dass Gamma-Ray Bursts eine Hauptquelle der extrem energiereichen Kosmischen Strahlung sind, falsch. Oder unsere Rechenmodelle von den Vorgängen in einem Gamma-Ray Burst beruhen auf falschen oder zu stark vereinfachten Annahmen.“ In jedem Fall müssen die Astroteilchenphysiker die gegenwärtigen Modelle zur Produktion von kosmischer Strahlung und Neutrinos in GRBs überarbeiten.
DESY / OD