Im Schatten der Windparks
Messkampagne untersucht die Nachläufe von Windparks.
Die Windenergie ist ein Eckpfeiler der Energiewende. Diese gelingt nur Hand in Hand mit modernster Forschung, die den Auswirkungen immer größer werdender Windparks auf den Grund geht. Deshalb flog ein Team des Instituts für Flugführung der Technischen Universität (TU) Braunschweig mit ihrem einzigartigen Forschungsflugzeug in die USA, um an der internationalen Messkampagne AWAKEN in den Great Plains in Oklahoma teilzunehmen. Dort untersuchten sie die Nachläufe von Windparks. Die Klaus Tschira Stiftung ermöglichte die Teilnahme an der Messkampagne, sowie bereits 2019 die Anschaffung und Ausstattung des Flugzeugs.
Bei AWAKEN (American Wake Experiment) schlossen sich Forschungsinstitute, Universitäten und Windindustrie-Unternehmen aus aller Welt zusammen, um „Wakes“, also die Nachläufe von Windparks in den Great Plains, zu untersuchen. Über 100 Forscher haben Atmosphärendaten gewonnen und analysiert und entwickeln daraus realitätsabbildende Modelle. Dafür untersuchten sie das Windfeld in verschiedenen Größenordnungen, von der Umströmung einzelner Anlagen bis hin zu Effekten auf 100 Kilometer Entfernung, bei denen Gelände und Vegetation ebenfalls eine Rolle spielen.
Die einjährige Messkampagne trägt dazu bei, die Vorgänge in und um Windparks besser zu verstehen und damit ihre Effizienz zu steigern. „Ein Windpark entzieht dem Wind Energie, wodurch seine Geschwindigkeit in den Nachläufen zunächst reduziert ist“, erklärt Astrid Lampert. Die promovierte Physikerin leitet die Arbeitsgruppe Fluggestützte Meteorologie und Messtechnik am Institut für Flugführung. Nach welcher Strecke sich die Windgeschwindigkeit wieder erholt, hänge unter anderem von der Atmosphäre ab. „Das kann 500 Meter, aber auch bis zu 100 Kilometer in Anspruch nehmen“, führt Lampert aus. Ein wichtiger Faktor also für die möglichst ertragreiche Planung von Windparks.
„Wir haben von der AWAKEN-Messkampagne erfahren und wollten unbedingt daran teilnehmen“, sagt Lampert. Die Fördermittelsuche gestaltete sich jedoch schwierig. Letztlich sei die Förderung der Klaus Tschira Stiftung die einzige Möglichkeit gewesen, das Projekt rechtzeitig zu realisieren. Fast sechs Wochen lang war das fünfköpfige Team aus Braunschweig in den USA. Dank ihres Forschungsflugzeugs, einer Cessna F406, konnten sie als Einzige auch ortsunabhängig Messwerte aufnehmen, während andere Teams auf stationäre Messsysteme angewiesen waren. „Wir waren damit sehr flexibel und konnten uns auch der Windrichtung anpassen“, erklärt Lampert. Ändert sich die Windrichtung, treiben die Wakes nämlich ebenfalls in eine andere Richtung und damit an stationären Messgeräten vorbei.
Thomas Feuerle und Maik Angermann flogen das Flugzeug zusammen mit Matthias Cremer. Mit Zwischenstopps in Schottland, Island, Grönland und Kanada überquerten sie den Atlantik. Etwa ein Jahr lang liefen die Vorbereitungen der Reise, zu der auch ein theoretischer Lehrgang gehörte. „Man hört die abenteuerlichsten Geschichten, was insbesondere mit dem Wetter passieren kann“, meint Angermann, der das Flugzeug in allen technischen Aspekten betreut. Eine andere Crew musste beispielsweise zwei Tage in Kanada auf besseres Wetter warten, bevor sie nach Grönland weiterreisen konnten. Bei den Braunschweigern spielten das Wetter sowie die Technik perfekt mit, und sie brauchten nur knapp vier Tage, statt der geplanten sieben.
Was macht das Braunschweiger Forschungsflugzeug so besonders? „Der Punkt ist: Wir wollen langsam und niedrig fliegen“, erklärt Lampert. Eine langsamere Fluggeschwindigkeit bedeute mehr Messpunkte bei gleicher Strecke. Die Beschaffung des Flugzeugs wurde bereits 2019 von der Klaus Tschira Stiftung ermöglicht.
Die Experimente zeigen, wie wichtig die Stabilität der Atmosphärenschichten ist. Warme Luft steigt nach oben, während kalte Luft zum Boden sinkt. „Wenn oben bereits warme und unten kalte Luft ist, durchmischen sich die Luftschichten in der Höhe kaum, bleiben also stabil“, erklärt Astrid Lampert. Durch diese fehlende Turbulenz prägen sich Wakes besonders gut aus. Deswegen begann das Braunschweiger Team in den Great Plains mit den Messflügen bereits in den frühen Morgenstunden. „Bereits vier, fünf Stunden nach Sonnenaufgang war die Atmosphäre so turbulent, dass wir keine Wakes mehr messen konnten“, berichtet Feuerle.
Wie relevant Wakes sind, zeigen Ergebnisse früherer Messungen über der Nordsee. Sie dienen inzwischen weltweit als wichtige Referenz für die Planung von Offshore-Windparks. Mit den AWAKEN-Messungen will das Team Ähnliches erreichen und stellt deshalb die aufbereiteten Daten erneut öffentlich zur Verfügung. Noch viele Fragen seien zu klären. Das Projektteam – davon ist auszugehen – wird noch viel Licht ins Dunkel bringen.
TU Braunschweig / DE