12.06.2023

Impfstoffe in der Zelle in Echtzeit verfolgen

Neues Bildgebungsverfahren kann Verhalten mRNA-Impfstoffen umfassend analysieren.

Die Corona-Pandemie hat sie in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt: Impfstoffe, die auf der mRNA-Technologie basieren, haben wesentlich zur Bekämpfung der Pandemie beigetragen. Sie setzen voraus, dass das Botenmolekül mRNA in das Innere von Zellen geschleust wird. Da „nackte“ mRNA sehr empfindlich ist, wird sie dabei von winzigen Fettkügelchen umhüllt, den Lipid-Nano­partikeln (LNPs). Die Freisetzung der mRNA in der Zelle besser zu verstehen, ist eine wichtige Voraussetzung, um die Effizienz der Impfstoffe zu steigern. Hier setzt Thomas Hellerer von der Fakultät für angewandte Naturwissenschaften und Mechatronik mit seinem Projekt SEMPA-Track (Entwicklung einer zeit­aufgelösten Tracking-Mikroskopie zur Verfolgung der intra­zellulären Freisetzung von Nuklein­säuren durch Lipid-Nanopartikel) an: Der HM-Professor für Biophotonik entwickelt mit seinem Doktoranden Thomas Kellerer ein neues Bildgebungs­verfahren, mit dem das Verhalten der Partikel umfassend analysiert werden kann.

 

Abb.: Forschungs­team SEMPA-Track: dem Mechanismus des Einschleusens von...
Abb.: Forschungs­team SEMPA-Track: dem Mechanismus des Einschleusens von mRNA-Impf­stoffen in Zellen auf der Spur (Bild: J. Bergmeister)

Treffen LNPs auf die Zelloberfläche, entstehen durch Einstülpen und Abschnüren der Zellmembran kleine Vesikel, Endosomen, in deren Innerem die LNPs in die Zelle gelangen. Die Endosomen diffundieren im Zellinneren, bis sie sich auflösen, sodass die LNPs und in der Folge auch die mRNA freigesetzt werden. Dieser als „endosomal escape“ bezeichnete Vorgang ist allerdings nicht besonders effektiv, denn nur ein Teil der mRNA gelangt tatsächlich ins Zell­innere. Welche Parameter dabei eine Rolle spielen, wollen die Forscher nun im Detail beobachten.

Dabei stehen sie vor großen technischen Herausforderungen: Zum einen flitzen die Endosomen mit den nur 40 bis 100 Nanometer großen LNPs blitzschnell im Zickzack­kurs durch die Zelle. Zum anderen wird vermutet, dass die Umgebung, insbesondere der pH-Wert, die Auflösung der Endosomen maßgeblich beeinflusst. Daher müssen die Forscher gleichzeitig auch die Mikro­umgebung der Teilchen im Blick behalten.

Um diese Anforderungen zu erfüllen, verwenden die Wissenschaftler ein spezielles Bildgebungs­verfahren, das auf der Fluoreszenz­lebensdauer-Mikroskopie (FLIM) beruht: Dabei werden die Proben mit unterschiedlichen Farbstoffen markiert und es wird erfasst, welche Verzögerung die Fluoreszenz nach Anregung durch eine Lichtquelle im Mittel hat. „In einer umfassenden Analyse konnten wir zeigen, dass diese Fluoreszenz­lebensdauer charakteristisch für einen Farbstoff ist, sofern die äußeren Bedingungen stabil bleiben“, sagt HM-Doktorand Thomas Kellerer, der im Rahmen einer kooperativen Promotion mit der LMU München an diesem Projekt arbeitet. Da der pH-Wert die Fluoreszenz­lebensdauer bestimmter Farbstoffe beeinflusst, kann über winzige Verschiebungen der Fluoreszenz­lebensdauer – in Größen­ordnungen von nur 0,5 Nanosekunden – auch der pH-Wert in der Nähe des Partikels gemessen werden.

Gleichzeitig entwickeln die Biophotoniker ein innovatives Verfahren, damit das Mikroskop den in der Zelle herum­flitzenden Endosomen schnell genug folgen kann: „Da die Vesikel die Bildebene des Mikroskops sehr schnell verlassen, ist eine aktive Nachführung des Bild­ausschnittes unabdingbar. Da geht es um wenige Zehntelsekunden“, sagt Hellerer. Dafür erzeugen die Wissenschaftler durch geschickte Anregung mit zwei Farben ein besonderes überlappendes Farbsignal und erfassen durch den Vergleich der Detektions­kanäle die Richtung, in die sich das Teilchen bewegt. „Ein erheblicher Anteil unserer Technologie-Entwicklung besteht darin, dieses System schnell genug zu machen“, betont der Professor. „Solche tiefgreifenden Modifizierungen von etablierten Systemen sind eine Stärke unseres Labors.“

Gegenüber den bisherigen Ansätzen hat die neue Technologie zudem den Vorteil, dass das Fluoreszenz-Signal gleich mehrere Informationen liefert, sodass weniger Farbstoff eingesetzt werden kann. „Das ist für unsere medizinischen Frage­stellungen sehr wichtig, weil die kleinen LNPs nur wenig Farbstoff als Marker aufnehmen können“, sagt Hellerer. Diese Entwicklungsarbeit soll im Sommer abgeschlossen werden. In einem zweiten Schritt wollen die Forscher dann biologische Proben untersuchen.

HS München / DE

 

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