In eiskalter Höhe
Polarflugzeuge schließen Messreihe zu Aerosolen und Strahlung in arktischen Wolken ab.
Das Phänomen der „Arctic Amplification“, des verstärkten Klimawandels in der Arktis, versuchten Atmosphärenforscher im Norden Kanadas zu ergründen. Die Wissenschaftler, unter anderem vom Jülicher Institut für Energie- und Klimaforschung, führten über fünf Wochen lang im Rahmen des Projekts RACEPAC (Radiation-Aerosol-Cloud Experiment in the Arctic Circle) mit zwei Forschungsflugzeugen und an einer Bodenstation Messungen durch. So konnten sie Aufbau und Strahlungseigenschaften der Wolken mit den Flugzeugen gleichzeitig vermessen. Mit dieser Strategie wollen die Wissenschaftler die verschiedenen Messgrößen so miteinander verknüpfen, dass ihre Ergebnisse künftig einfacher in Wetter- und Klimamodelle eingebunden werden können.
Abb.: Forschungsflugzeuge Polar 5 und Polar 6 des AWI einsatzbereit auf dem Flughafen von Inuvik, Kanada (Bild: LIM)
Die Jülicher Wissenschaftler setzten unter anderem das Gerät NIXE-CAPS ein, mit dem sich Zahl und Größe von Eiskristallen und Tröpfchen in einer Wolke bestimmen lassen. Die Forscher um Martina Krämer sammeln so wichtige Informationen: Zum Beispiel lässt eine Wolke, die nur aus wenigen großen Eispartikeln besteht, viel mehr Sonnenlicht zur Erdoberfläche durch als eine dichtere Wolke, die viele kleine Tröpfchen und Eisteilchen enthält. Damit wirkt sie weniger abkühlend, obwohl der Wassergehalt in beiden Wolkentypen ähnlich ist. Wissenschaftler um Andreas Petzold arbeiteten in der Arktis erstmals mit dem neuentwickelten Messgerät IAGOS-PIIc. Im Rahmen der europäische Infrastruktur IAGOS wird das Gerät in Zukunft auf kommerziellen Passagierflugzeugen weltweite Atmosphärenbeobachtungen um Messungen des atmosphärischen Aerosols ergänzen.
„Der globale Klimawandel zeigt sich in der Arktis mit überdurchschnittlich hohen Temperaturen und einem drastischen Rückgang der Meereisbedeckung noch deutlicher als anderswo auf der Welt“, sagt André Ehrlich vom Leipziger Institut für Meteorologie (LIM), der das Projekt vor Ort koordinierte. Während in der globalen Mitteltemperatur ein Anstieg von knapp einem Grad Celsius seit Beginn des 20. Jahrhunderts beobachtet wurde, liegt die Temperaturänderung nördlich des 67. Breitengrades im Bereich von zwei bis drei Grad Celsius.
Nach Ansicht der Forscher sind Wolken dabei ein entscheidender, aber bei weitem noch nicht ausreichend gut verstandener Parameter des komplexen Klimasystems. Durch den hellen Untergrund und wegen der niedrigen Sonne wirken tiefe Wolken in der Arktis im Gegensatz zu ihren mitteleuropäischen Artgenossen im Mittel erwärmend. Diese Besonderheiten sowie der komplexe Aufbau der arktischen Wolken, die sowohl Eiskristalle als auch flüssige Wassertropfen enthalten können, sind besonders interessant für die Wissenschaftler.
Mit den beiden ausgerüsteten Flugzeugen Polar 5 und 6 unternahmen die Forscher jeweils 15 Messflüge von drei bis vier Stunden Dauer über der Beaufortsee, um Wolken und deren Wirkung im arktischen Klimasystem möglichst genau zu charakterisieren. Weitere Daten wurden von einer Bodenstation in Tuktoyaktuk, der nördlichsten Gemeinde Kanadas, erfasst. „Mit diesen Messungen soll unter anderem herausgefunden werden, wie die bodennahe Luft zur lokalen Wolkenbildung beiträgt“, erklärt der leitende Wissenschaftler Stephan Borrmann von der Universität Mainz und dem dortigen Max-Planck-Institut für Chemie.
RACEPAC wird vom Leipziger Institut für Meteorologie (LIM) unter Leitung von Manfred Wendisch koordiniert. Projektpartner sind die Universitäten Mainz und Clermont-Ferrand; beteiligt sind neben dem Forschungszentrum Jülich auch das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) sowie das Alfred Wegener Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI).
FZ Jülich / DE