18.09.2009

Industrie: Elektroautos Zukunftsmusik - Berlin erwägt Förderung

Massenhaft Elektroautos auf deutschen Straßen - diese Vision wird nach Einschätzung der Autoindustrie noch für viele Jahre Zukunftsmusik bleiben

Massenhaft Elektroautos auf deutschen Straßen - diese Vision wird nach Einschätzung der Autoindustrie noch für viele Jahre Zukunftsmusik bleiben. VW-Vorstandsmitglied Ulrich Hackenberg betonte auf der Internationalen Automobil-Ausstellung IAA in Frankfurt, der Verbrennungsmotor werde in den nächsten 15 bis 20 Jahren noch eine dominante Rolle spielen. In Berlin wird unterdessen über eine staatliche Förderung der neuen Technologie nachgedacht, die nach einem Vorschlag des Umweltministeriums bis zu 5000 Euro pro Fahrzeug ausmachen könnte. Dazu kämen vor allem eine direkte Umweltprämie beim Kauf oder steuerliche Vorteile in Frage, sagte der Staatssekretär Matthias Machnig am 16. September 2009.

Neue Antriebstechnologien zählen zu den Schwerpunkten der diesjährigen IAA (17.-27. September 2009). Umweltschützer halten den Wirbel um das Elektroauto aber für völlig überzogen. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) warf der Autoindustrie sogar Etikettenschwindel in Sachen Klimaschutz vor.

Nach einer VW-Prognose erreichen reine Elektroautos im Jahr 2020 einen Marktanteil von nur 1,5 Prozent. Es gebe noch viele Probleme. Dazu zählten die Batterietechnologie, die Reichweite, der Preis und die Infrastruktur zum Aufladen der Batterien. Eine stärkere Zusammenarbeit der Hersteller bei der Technologie soll es vorerst aber nicht geben.

Der Chef der Automobilsparte des Zulieferers Bosch, Bernd Bohr, warnte vor übertriebener Euphorie: «Es wird noch zehn Jahre dauern, bis ein Elektrofahrzeug im Markt ist, das sich wirklich selber finanziert und bezahlbar ist.» Die Kosten der Batterie müssten noch auf ein Drittel reduziert werden. Derzeit koste eine Batterie mit rund 200 Kilometer Reichweite 8000 bis 12 000 Euro.

Machnig stellte in Berlin eine vom Ministerium in Auftrag gegebene Studie der Unternehmensberatung McKinsey vor, die auf Vorhersagen der Autobauer basiert.

Demnach sollen in der ersten Phase 2012 bis 2014 jährlich rund 30 000 Elektroautos auf den Markt kommen, in den vier Jahren darauf je 100 000 sowie 2019 und 2020 je 250 000. Das bedeutet etwa 100 000 E-Autos auf deutschen Straßen im Jahr 2014, 500 000 in 2018 und eine Million zum Jahr 2020.

Der Staatssekretär forderte die Industrie auf, ihre Forschungsanstrengungen im Batterie-Bereich angesichts der riesigen asiatischen Konkurrenz zu verstärken.

Gefördert werden sollen nur mit Ökostrom betriebene reine Elektroautos, Fahrzeuge mit kombiniertem Elektro- und Spritantrieb und Auflademöglichkeiten vom Netz (Plug-in-Hybride) sowie Fahrzeuge mit Brennstoffzelle. Reine Elektroautos den vollen Betrag von 5000 Euro bekommen. Eine Anschluss-Förderung nach 2015 soll gegebenenfalls geprüft werden.

Laut McKinsey wird bis 2020 weltweit ein 470-Milliarden-Euro-Markt für Elektromobilität mit 250 000 neuen Jobs entstehen. Dabei könne Deutschland bei gleichbleibendem Weltmarktanteil am Autoumsatz auf ein Volumen von 85 Milliarden Euro kommen. Um die derzeit hohen Kosten der Batterie-Technologie einzudämmen, hält Machnig vor allem in diesem Segment eine besondere Förderung für Forscher, Hersteller und Zulieferer für vordringlich. Laut Studie wird der Gesamtumsatz der Automobilindustrie im Jahr 2020 weltweit rund 1,44 Billionen Euro betragen.

Aus Sicht des DUH-Bundesgeschäftsführers Jürgen Resch sind Elektroautos derzeit ein reines Forschungsthema. «Wir werden noch viele Jahre brauchen, bis die Batterien bezahlbar sind und große Reichweite haben.» Bislang könnten die deutschen Hersteller nur Studien und Kleinstserien für Elektroautos vorweisen. Mit einem Aufpreis von 10 000 bis 26 000 Euro gegenüber gängigen Modellen seien die Wagen zu teuer.

Laut einer Umfrage des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv) sind 70 Prozent der Deutschen der Meinung, die Automobilbranche biete zu wenig klimafreundliche sparsame Autos an. «Die Autoindustrie hat lange Zeit versagt», kritisierte vzbv-Vorstand Gerd Billen.

Daimler-Vorstand Thomas Weber widersprach der Kritik, die deutsche Industrie habe die Themen Elektroauto und Umweltfreundlichkeit verschlafen. «Wir sind hellwach und haben riesige Fortschritte gemacht.» Die Hersteller seien «dramatisch» dabei vorangekommen, die Autos sauberer und sparsamer zu machen.

Die Deutsche Umwelthilfe zog unterdessen ein vernichtendes Fazit der vergangenen IAA 2007 und sprach von der «Mär von der "grünen" Automobilausstellung». Resch kritisierte: «Die Hersteller haben ihre Versprechen nicht eingehalten. Es fehlen grüne Fahrzeuge, die 2008 und 2009 eigentlich in Serie gehen sollten.»

DPA


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