16.08.2017

Intergalaktische Fütterung

Staudruck durch intergalaktisches Medium aktiviert galak­tische Kerne.

Im Zentrum der meisten Galaxien sitzt vermutlich ein super­masse­reiches schwarzes Loch. Nicht nur die Band­breite an Masse dieser schwarzen Löcher ist groß und reicht über mehrere Größen­ord­nungen von einigen Milli­onen bis hin zu einigen Milli­arden Sonnen­massen – auch ihre Akti­vität kann sehr unter­schied­lich aus­fallen. Die meisten super­masse­reichen schwarzen Löcher führen ein recht beschau­liches Leben im Zentrum ihrer Galaxie und ver­zehren nur hin und wieder einen Stern oder ein paar Gas­wolken. Einige von ihnen sind jedoch hoch­gradig aktiv und fallen in die Kate­gorie „aktiver Galaxien­kern“. Sie strahlen riesige Mengen an Energie ab und gehören zu den leucht­kräftig­sten Objekten im All.

Abb.: 3D-Modell einer Galaxie mit Sternen (weiß) und ge­stautem Gas (rot), das lang­sam aus der Galaxie heraus­gezogen wird. Bild: C. Bellhouse, GASP Coll.)

Der Grund für die starke Strahlungsleistung aktiver Galaxienkerne liegt im Ein­fall hin­reichend großer Materie­mengen, die sich zunächst in Akkre­tions­scheiben sammeln, die sich bis zu etlichen hundert Licht­jahren erstrecken können. Warum einige Galaxien ihrem zentralen schwarzen Loch aber so viel Futter zuführen und andere nicht, ist bislang nur teil­weise ver­standen. Eine neue Unter­suchung durch ein inter­natio­nales Astro­nomen­team um Bianca Poggi­anti vom Obser­va­torium der Univer­sität Padua hat nun einen Mecha­nismus aufge­deckt, der dies offen­bar effi­zient bewerk­stelligt.

Eine Reihe unterschiedlicher Konstellationen kann zu aktiven galak­tischen Kernen führen. Die Ver­schmel­zung von größeren Galaxien kann besonders starke Akti­vität ver­ur­sachen, weil hier­durch die großen Gas­mengen im Zentral­bereich beider Galaxien durch­mischt und abge­bremst werden. Weniger starke aktive Galaxien­kerne finden sich bei anein­ander vorbei­strei­fenden Galaxien, bei denen die wechsel­seitigen Gezeiten­kräfte den super­masse­reichen schwarzen Löchern zu Nach­schub ver­helfen. Poggi­anti und ihre Kollegen unter­suchten jetzt ein bis­lang nur schlecht ver­stan­denes System: Galaxien, deren Struktur durch den Stau­druck im heißen, dichten, inter­galak­tischen Medium von Galaxien­haufen verformt wurde. Diese „quallen­förmigen“ Galaxien, von denen insge­samt erst rund vier­hundert bekannt sind, besitzen lang­ge­streckte „Tentakel“ aus Gas und neu­ge­borenen Sternen.

Dabei führt die schnelle Bewegung dieser Galaxien durch das inter­galak­tische Medium zu einem doppelten Effekt: Kurz­fristig gesehen sorgt sie für Turbu­lenzen und ther­mische Insta­bili­täten in der betrof­fenen Galaxie, was den Kollaps von Molekül­wolken bewirken kann und die Stern­ent­stehungs­rate erhöht. Lang­fristig ent­zieht es der Galaxie jedoch Gas und unter­drückt dadurch weitere Stern­ge­burten.

Die Astronomen machten ihre Beobachtungen im Rahmen des ESO-Programms GASP (Gas Strip­ping Pheno­mena in Galaxies with MUSE), das die Gas- und Sternen­kine­matik von nicht allzu weit ent­fernten Galaxien mit Hilfe des MUSE-Spektro­graphen am Very Large Tele­scope analy­siert. Hierzu unter­suchten die Forscher insge­samt 94 Galaxien, deren Form anzeigt, dass sie anschei­nend nur Gas ver­lieren. Das spricht gegen starke wechsel­seitige Gezeiten­kräfte in den beob­ach­teten Galaxien­haufen und für einen hin­rei­chend starken Stau­druck durch das inter­galak­tische Medium. Die Forscher wählten außer­dem die­je­nigen Galaxien aus, deren Tentakel­arme mindes­tens so aus­ge­dehnt waren wie der Durch­messer ihrer galak­tischen Scheiben. Insge­samt sieben Galaxien erfüllten diese Krite­rien, alle­samt massive Galaxien mit sicht­barer Materie im Bereich von etwa hundert Milli­arden Sonnen­massen.

Offenbar hängt der Staudruck durch das intergalaktische Medium auch mit einer stark über­durch­schnitt­lichen Akti­vität in den Zentren der quallen­förmigen Galaxien zusammen: Bei sechs der sieben Galaxien konnten die Forscher einen aktiven galak­tischen Kern aus­machen, der sonst nur selten anzu­treffen ist. Das ließ den Schluss zu, ent­weder müsse der Stau­druck durch das externe Gas das Gas in der Galaxienscheibe dem zentralen schwarzen Loch neues Futter zuführen oder der aktive galaktische Kern müsse umgekehrt zu einem erhöhten Gas­verlust sorgen. Das wäre dadurch möglich, dass die Energie, die das super­masse­reiche schwarze Loch in seine Galaxie pumpt, den Verlust größerer Gas­mengen begüns­tigt. Es könnten aber natür­lich auch beide Arten von Kausa­lität auf­treten.

Um dies aufzuklären, analysierten die Forscher die Geschwin­dig­keits­ver­tei­lung der Galaxien im Galaxien­haufen. Die einzige nicht aktive der sieben Galaxien war zugleich die lang­samste, während die anderen sich anschei­nend noch in der Phase der ersten Bewe­gung hinein in den Galaxien­haufen befanden: Ein starkes Indiz dafür, dass der Stau­druck das aktive galak­tische Zentrum befeuert und nicht umge­kehrt. Das ist auch in Ein­klang mit hydro­dyna­mischen Simu­la­tionen, denen zufolge nicht­rotie­rende Gas­massen des inter­galak­tischen Mediums die Rota­tions­bewe­gung von galak­tischem Gas abbremsen können und es auf eine spiral­förmige Bahn in Rich­tung Galaxien­zentrum bringen können. Gegen­wärtig lässt sich aber auch nicht aus­schließen, dass umge­kehrt auch die aktiven Galaxien­kerne den Gas­ver­lust beschleu­nigen, was auf ein inte­res­santes Wechsel­spiel in diesen eigen­willig geformten Galaxien hin­weisen würde. Simu­la­tionen hierzu stehen noch aus.

Dirk Eidemüller

RK

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