Je länger, desto wärmer
Die Wärmeleitfähigkeit von Graphen steigt logarithmisch mit der Länge.
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung (MPI-P) aus Mainz und der National University Singapur haben bewiesen, dass die Wärmeleitfähigkeit nicht konstant ist, sondern mit der Länge einer Graphenschicht zunimmt. Diese Erkenntnis steht im Gegensatz zu den fundamentalen physikalischen Gesetzmäßigkeiten der Wärmeleitung. Davide Donadio, Leiter einer Max-Planck-Forschungsgruppe am MPI-P, und seine Partner aus Singapur konnten dieses Phänomen nun mit Computersimulationen prognostizieren und in Experimenten nachweisen.
Abb.: Messaufbau zu Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit von Graphen (Bild: X. Xu et al.)
„Wir haben Mechanismen des Wärmetransports erkannt, die in der Mikrometerskala tatsächlich den Gesetzen von Fourier widersprechen. Nun müssen alle bisher experimentell ermittelten Messergebnisse für Graphen neu interpretiert werden. Die Idee der Wärmeleitfähigkeit als materialspezifische Konstante trifft auf Graphen nicht zu“, sagt Davide Donadio.
Der französische Physiker Joseph Fourier hatte die Gesetze der Wärmeausbreitung in Festkörpern postuliert. Demnach ist die Wärmeleitfähigkeit eine intrinsische Materialeigenschaft, die im Normalfall nicht von Größe oder Form abhängt. Bei Graphen, einer zweidimensionalen Schicht aus Kohlenstoffatomen, verhält es sich anders, wie die Wissenschaftler jetzt herausgefunden haben. Mit Experimenten und computergestützten Simulationen stellten sie fest, dass die Wärmeleitfähigkeit logarithmisch mit der Vergrößerung einer Graphenschicht anwächst.
Abb.: Die Wärmeleitfähigkeit von Graphen in Abhängigkeit von der Länge (Bild: X. Xu et al.)
Das bedeutet: Je länger die Graphenschicht, desto mehr Wärme kann sie pro Längeneinheit transportieren. Dies ist eine weitere, außergewöhnliche Eigenschaft des als Wunderstoff gepriesenen Materials: Graphen ist chemisch sehr stabil, dabei dehnbar, hundertfach reißfester als Stahl, zudem ultraleicht und gleichzeitig sehr hart. Bisher war es auch als guter Wärmeleiter bekannt. Neu ist, dass sich die bisher als Stoffkonstante betrachtete Wärmeleitfähigkeit bei Graphen mit zunehmender Länge ändert. Donadio machte die zweidimensionale Struktur und die steifen chemischen Bindungen dafür verantwortlich. Im Ungleichgewichtszustand können sich die thermischen Schwingungen fasst ohne Energieverlust ausbreiten.
Wärme ist in der Mikro- und Nanoelektronik der limitierende Faktor für leistungsfähigere und kleinere Bauteile. Deshalb bergen Materialien mit faktisch unbegrenzter Wärmeleitfähigkeit enormes Potenzial für Anwendungen dieser Art. Werkstoffe mit außergewöhnlichen elektronischen Eigenschaften, die sich passiv, also von selbst kühlen, wie es bei Graphen der Fall sein könnte, sind der Traum jedes Elektronikingenieurs.
U. Mainz / DE