'Jules Verne' besteht Feuerprobe
Der 'Jules Verne' genannte europäische Raumtransporter ATV dockte in einem Test in Frankreich ohne jede manuelle Hilfe am russischen Swesda-Teil der Internationalen Raumstation ISS an.
Val de Reuil (dpa) - Zentimeterweise schiebt sich der Raumtransporter weiter an die Station heran. Das Kontrollzentrum im französischen Toulouse hatte nach Abstimmung mit Houston und Moskau das «Go!» für die letzten 20 Meter gegeben. Vier Lasersensoren am Bug des 20-Tonnen-Raumschiffes passen die Achse dieses zylinderförmigen Besuchers den sanften Bewegungen des internationalen Außenpostens im Weltall an. Mit einem Rucken klinkt sich der «Jules Verne» genannte europäische Raumtransporter ATV (Automated Transfer Vehicle) ohne jede manuelle Hilfe am russischen «Swesda»-Teil der Internationalen Raumstation ISS ein. In den Kontrollzentren brandet Beifall auf.
So sieht das Szenario für das erste Rendezvous des europäischen ATV-Raumschiffs mit der ISS 400 Kilometer über der Erde aus, das im Sommer 2007 Wirklichkeit werden soll. Das überaus heikle Andockmanöver der «Jules Verne» probten die Experten der Europäischen Weltraumorganisation ESA und der Raumfahrtindustrie in der vergangenen Woche in einer 600 Meter langen Testhalle in Val de Reuil unweit von Rouen. Wo sonst, abgeschirmt von der neugierigen Außenwelt, die Rümpfe neuer französischer Fregatten oder U-Boote auf Seetüchtigkeit hin getestet werden, war ein maßstabgetreues Modell der «Swesda»-Andockvorrichtung auf eine fahrbare, etwa 120 Tonnen schwere Plattform montiert worden.
Einem Robotarm mit den Laser-Leitsensoren gelang es dann mehrfach, die vollautomatische Vereinigung des unbemannten Transporters mit der Station zu simulieren. Die notwendige höchstkomplizierte Software für den Transporter bereitete lange Zeit Sorgen. Aus technischen Gründen musste der erste ATV-Start mehrfach verschoben werden. Nach letzten Tests im ESA-Technologiezentrum ESTEC im niederländischen Noordwijk soll «Jules Verne» nun in der zweiten Märzhälfte verschifft werden und im Sommer, möglicherweise im Juli, von Europas Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana aus zum ersten ISS-Besuch aufbrechen.
Das Milliarden-Projekt ATV ist neben dem Weltraumlabor «Columbus» der Kernbeitrag der Europäer zum Aufbau der internationalen Station. Der zehn Meter lange Raumschlepper kann bis zu siebeneinhalb Tonnen Trinkwasser, Treibstoff, Nahrung oder Experimentiergerät zur Station bringen - «das Dreifache der russischen Progress-Kapsel», erläutert Projektleiter John Ellwood.
Der Super-Cargo ist leistungsstark und mit genügend Treibstoff beladen, um die Station, dort angedockt, 30 Kilometer in die Höhe zu bugsieren. Ein solcher «boost» ist von Zeit zu Zeit nötig, weil die ISS wegen der Restatmosphäre ständig an Höhe verliert. Spätestens nach etwa sechs Monaten legt der Transporter ab und dient schließlich noch als Mülleimer: Mit tonnenweise Abfall aus der Station beladen verglüht er kontrolliert in der Erdatmosphäre.
«Es ist das komplexeste und innovativste Raumschiff, das die ESA bisher entwickelt und gebaut hat», schwelgt der Projektleiter schon in Superlativen: «Ich bin sicher, dass unser Vogel rechtzeitig für den Flug bereit ist.» Der nach dem Vater der Science Fiction benannte erste Raumschlepper, so groß wie ein Linienbus, muss allerdings im kommenden Jahr in die Startpläne der Amerikaner und Russen zur ISS eingepasst werden. Nachdem die US-Shuttles nun wieder öfter in Cape Canaveral auf die Startrampen kommen, ist ein reger Verkehr für den weiteren Ausbau der Station angesagt. «Vier Transporter sind geplant, mit zwei weiteren Optionen», sagt ATV-Programmchef Nicolas Chamussy von Astrium Space Transportation.
Doch zunächst warten alle auf den ersten Start im Dschungel von Kourou. Wegen des großen ATV-Gewichts steht dafür eine speziell verstärkte Ariane-5-Trägerrakete bereit.
Hanns-Jochen Kaffsack, dpa
Weitere Infos:
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ATV (Automated Transfer Vehicle):
http://www.esa.int/SPECIALS/ATV/index.html