Junge Weiße Zwerge datieren Alter des galaktischen Halos
Neue Methode zeigt: Halo der Milchstraße ist jünger als die Kugelsternhaufen.
Die Milchstraße besteht aus mehreren Komponenten: Neben der charakteristischen Scheibe mit ihren Spiralarmen besitzt sie eine Verdickung im Zentrum, die „Bulge“, einen ausgedehnten Halo und eine große Zahl von Kugelsternhaufen. Diese Komponenten sind vermutlich durch unterschiedliche Prozesse zu unterschiedlichen Zeiten entstanden. Aber noch herrscht unter den Astronomen keine Einigkeit über die zeitliche Abfolge der Vorgänge, da es schwierig ist, das Alter von Sternen zu bestimmen, die aus der Entstehungszeit der Galaxis übrig geblieben sind.
Abb.: Hubble-Aufnahme der Zentralregion des Kugelsternhaufens Messier 4. Nahezu 2000 Weiße Zwerge sind in diesem Sternhaufen bekannt. (Bild: NASA/E)
Da die Lebensdauer von Sternen mit ihrer Masse zusammenhängt – je mehr Masse sie besitzen, desto verschwenderischer gehen die Sterne mit ihrem nuklearen Energievorrat um –, sind es Sterne mit kleiner Masse, die noch heute als Zeugen der Entstehungsphase existieren. Jason Kalirai vom Space Telescope Science Institute in Baltimore hat nun eine innovative neue Methode entwickelt, um nicht diese Sterne selbst, sondern ihre Hinterlassenschaft zur Altersbestimmung zu benutzen.
Wenn Sterne niedriger Masse ihren nuklearen Energievorrat verbraucht haben, dann ziehen sie sich zu Weißen Zwergen zusammen, die langsam abkühlen. „Im Gegensatz zu ihren Vorgängersternen sind Weiße Zwerge, die Asche der Sternentwicklung, bemerkenswert einfache Objekte, deren fundamentalen Eigenschaften sich mit nur geringen Unsicherheiten messen lassen“, erläutert Kalirai.
Zwar ist auch die Abkühlung Weißer Zwerge ein komplexer Vorgang, der von vielen Faktoren abhängt. Doch diese Unsicherheit umgeht der Forscher, in dem er sich auf gerade erst entstandene Weiße Zwerge beschränkt. Die Masse eines solchen Weißen Zwergs hängt, so Kalirais Ansatz, von der ursprünglichen Masse des Vorgängersterns ab. Und diese Masse wiederum ist unmittelbar an die Lebensdauer des Sterns gekoppelt. Aus der Masse frisch entstandener Weißer Zwerge lässt sich demnach die Zeit seit der Entstehung des ursprünglichen Sterns ableiten.
Allerdings muss dieser Zusammenhang zunächst an Objekten mit bekanntem Alter geeicht werden. Das gelang Kalirai mithilfe des gut untersuchten, 12,5 Milliarden Jahre alten Kugelsternhaufens Messier 4, in dem nahezu 2000 Weiße Zwerge bekannt sind. Den dort geeichten Zusammenhang hat der Forscher dann auf vier junge Weiße Zwerge im galaktischen Halo angewendet. Kalirai findet für die vier Objekte ein Alter von 11,4 Milliarden Jahren – deutlich jünger als M4 und andere Kugelsternhaufen, die bis zu 13,5 Milliarden Jahren alt sind. Die Population der Halosterne ist demnach also deutlich nach den Kugelsternhaufen entstanden.
Die neue Methode liefert damit eine Möglichkeit, die Entwicklungsgeschichte der Milchstraße genauer als zuvor zu untersuchen. Verbesserte Eichungen an weiteren Kugelsternhaufen und die Anwendung auf eine größere Zahl von Weißen Zwergen dürften die Genauigkeit des Verfahrens dabei zukünftig noch verbessern.
Rainer Kayser
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