14.12.2017

Kataklysmischer Goldrausch

Kollisionen von Neutronensternen sind wichtige Quelle schwerer Elemente.

Kollisionen von Neutronensternen gehören zu den außer­gewöhn­lichsten Prozessen im All. Erst vor kurzem gelang erst­malig der Nach­weis eines solchen Ereig­nisses über Gravi­tations­wellen und zugleich im elektro­magne­tischen Spektrum. Neutronen­stern-Kolli­sionen gelten insbe­son­dere als Quelle für schwere Elemente wie Platin, Gold und darüber hinaus. Die enormen Mengen an frei­werdenden Neutronen befeuern den r-Prozess, bei dem Atom­kerne in kurzer Zeit viele Neutronen ein­fangen, bevor sie über radio­aktive Zer­fälle wieder in leich­tere Atom­kerne zer­fallen können. Die Schwer­kraft rund um die beiden Kollisions­partner ist jedoch so stark, dass bis­lang nicht klar war, wie größere Mengen an Material bei einem solchen Ereignis nach außen gelangen können.

Abb.: Ein Torus hochdichter Materie bildet sich, wenn ein Neutronen­stern mit einem zweiten oder einem schwarzen Loch kolli­diert. Extreme Magnet­felder können Gold und andere schwere Elemente aus­stoßen. (Bild: Begel­man Group & S. Burrows, JILA)

Wie bisherige Simulationen andeuteten, bildet sich um das im Zentrum der Kolli­sion ent­stehende schwarze Loch ein Torus aus hoch­dichter Materie. Die extremen Magnet­felder, die Neutronen­sterne besitzen, sorgen dann für magneto­hydro­dyna­mische Prozesse, die einen kleinen Teil des Torus nach außen kata­pul­tieren, während der Rest vom zentralen schwarzen Loch ver­schlungen wird. Daniel Siegel und Brian Metzger von der Columbia Univer­sity in New York haben diese Prozesse nun detail­liert mit drei­dimen­sio­nalen, all­gemein-relati­vis­tischen, magneto­hydro­dyna­mischen Simu­la­tionen beschrieben. Wie sie dabei heraus­fanden, funktio­nieren in ihrem Szenario die Erzeu­gung und der Aus­stoß schwerer Elemente sogar besser als bei früheren, ein­facheren Simu­la­tionen.

Die beiden Wissenschaftler simulierten die knapp vierhundert Milli­sekunden lange Anfangs­phase nach einer solchen Kolli­sion, wenn der Neutronen­fluss besonders stark ist. Hierbei spielen nicht nur raum­zeit­liche Ein­flüsse eine Rolle, da sie die turbu­lente Rota­tion des Torus beein­flussen, sondern auch Effekte wie die starke Neutrino­kühlung im neutronen­reichen Torus. Da die gravi­ta­tive Bindung um ein Mehr­faches stärker ist als die bei radio­aktiven Prozessen frei­werdende Energie, müssen starke magneto­hydro­dyna­mische Prozesse auf­treten, um über­haupt Materie in nennens­wertem Umfang frei­zu­setzen. Dass dies in der Realität der Fall ist, war bei der kürz­lich beob­ach­teten Neutronen­stern-Kolli­sion an der Stärke des elektro­magne­tischen Signals abzu­lesen.

Nach den Simulationen von Siegel und Metzger werden rund zwanzig Prozent der Torus­masse nach außen geschleu­dert, zum Teil mit Geschwin­dig­keiten von bis zu einem Zehntel der Licht­geschwin­dig­keit. Diese Werte sind höher als bei früheren Simu­la­tionen, die all­gemein-relati­vis­tische Effekte außen vor lassen. Da die auf­wändigen Simu­la­tionen bis­lang nur die ersten vier­hundert Milli­sekunden nach der Kolli­sion abdecken, lässt sich der spätere Massen­aus­wurf nur grob extra­polieren, er sollte aber eben­falls noch signi­fi­kant sein.

Das Verhältnis von Neutronen zu Protonen liegt zwischen drei und zehn zu eins, demzufolge gibt es in der anfangs hochdichten Materie genügend Rohmaterial für den r-Prozess. Die berechneten Elementhäufigkeiten ent­sprechen ungefähr denjenigen in unserem Sonnensystem. Das spricht dafür, dass tatsächlich Kollisionen von Neutronen­sternen mit anderen Neutronen­sternen oder schwarzen Löchern Orte sind, an denen r-Prozesse in be­deu­ten­dem Um­fang statt­finden, und dass dort die Quelle eines guten Teils der schweren Elemente liegt.

Dirk Eidemüller

RK

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