11.02.2015

Keimfrei Enceladus anbohren

Eismaulwurf testet kontaminationsfreie Wasserprobenentnahme in der Antarktis.

Wissenschaftler des Verbundvorhabens „EnEx – Enceladus Explorer“ haben erstmals eine kontaminations­freie Wasserprobe in einem Gletscher in der Antarktis entnommen. In einer Tiefe von 16 Metern unter der Eisoberfläche konnten sie subglaziales Wasser finden und mit dem IceMole eine Probe entnehmen. Amerikanische Kollegen analysieren nun die Wasserprobe, die vermutlich über eine Million Jahre von der Außen­welt abgeschlossen war, hinsichtlich enthaltener Mikro­organismen. Die Einschmelz­sonde wurde an der FH Aachen von einem Team um Bernd Dachwald entwickelt.

Abb.: IceMole bahnt sich seinen Weg durch das Eis in Richtung Brine. (Bild: M. Feldmann, FH Aachen)

Seit den ersten Hinweisen auf flüssige Ozeane unter den dicken Eispanzern einiger Monde des äußeren Sonnensystems wird darüber spekuliert, ob sich dort eigenständiges Leben entwickelt haben könnte. In diesem Zusammenhang ist der kleine Saturnmond Enceladus von besonderem Interesse, der aus Spalten an seinem Südpol Wassereispartikel in den Weltraum schleudert. Die NASA-Sonde Cassini konnte darin einfache organische Verbindungen nachweisen. Eine Landung zur genaueren Untersuchung der Wasser­vorkommen wäre ein entscheidender Schritt zur Beantwortung der Frage nach dortigem Leben. Gleichzeitig stellt das aber aufgrund der Abgelegenheit und der extremen Bedingungen eine große technische Heraus­forderung für zukünftige Raumfahrt­missionen dar.

Eine wesentliche Schlüssel­komponente für eine solche Mission ist eine frei durch das Eis steuer- und navigierbare Einschmelzsonde, die vor sich in das Eis „sehen“ kann und ihre Position darin genau kennt. Mit dem durch das Raumfahrtmanagement des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) initiierten und geförderten Verbundvorhaben „EnEx – Enceladus Explorer“ wurde in den vergangenen drei Jahren ein wichtiger Schritt zur Entwicklung einer solchen Sonde getan. Bei EnEx arbeiten Ingenieure und Wissenschaftler sechs deutscher Hochschulen (FH Aachen, RWTH Aachen, TU Braunschweig, Universität Bremen, Universität der Bundeswehr München, Bergische Universität Wuppertal) eng zusammen, um Schlüssel­technologien für das navigierbare Schmelzen im Eis zu entwickeln und sie in einem dem Enceladus-Szenario möglichst ähnlichen Feldversuch auf der Erde zu erproben. Zu den entwickelten Technologien zählen unter anderem ein autonomes (bzw. im ersten Entwicklungs­schritt noch halbautonomes) und robustes Navigations- und Detektionssystem sowie ein Dekontaminierungs- und Proben­entnahme­system. Diese wurden speziell für den Einbau in eine an der FH Aachen entwickelte Einschmelzsonde, genannt EnEx-IceMole, konzipiert. Bernd Dachwald, Professor für Raumfahrttechnik an der FH Aachen, der mit seinem Team seit Jahren an gesteuerten Einschmelzsonden forscht, übernahm die Führung des EnEx-Verbunds.

Im November und Dezember 2014 wurde gemeinsam mit amerikanischen Wissenschaftlern ein fünfwöchiger Feldversuch in der Antarktis durchgeführt. Deren Projekt MIDGE (Minimally Invasive Direct Glacial Exploration) wird parallel von der US-amerikanischen National Science Foundation gefördert. Ziel der Zusammenarbeit zwischen EnEx- und MIDGE-Forschern war es, mit einem minimal-invasiven Verfahren erstmalig eine unkontaminierte subglaziale Wasserprobe, also eine nicht mit mitgebrachten Mikro­organismen verunreinigte sich unter dem Eis befindliche Wasserprobe, aus den Blood Falls (Blutfällen) in der Antarktis zu entnehmen. Dies ist dem internationalen Team nun während der letzten Tage Ihres Aufenthalts in der Antarktis gelungen. In einer Tiefe von 16 Metern unter der Eis­oberfläche konnten sie subglaziales Wasser finden und mit dem IceMole kontaminations­frei eine Probe entnehmen. Die amerikanischen Kollegen analysieren nun die Wasserprobe, die vermutlich über eine Million Jahre von der Außenwelt abgeschlossen war, hinsichtlich enthaltener Mikro­organismen. Im Raum steht die Frage, wie Leben in solch extremen Bedingungen überhaupt möglich ist.

Eine der größten Herausforderungen für die Entnahme der Probe lag in der Einstufung der Feldtest­region als international besonders geschütztes Gebiet (ASPA, Antarctic Specially Protected Area). Jeglicher Aufenthalt ist hier mit sehr strengen Auflagen verbunden und macht eine gewissenhafte Sterilisierung der Sonde erforderlich. Natürlich wäre gerade dieser Aspekt auch für den extra­terrestrischen Einsatz auf Enceladus unbedingt notwendig, um den Eismond nicht mit irdischen Mikroorganismen zu verseuchen. Deshalb erarbeitete Ilya Digel vom Institut für Bioengineering für den EnEx-IceMole eine auf den geltenden Raumfahrtstandards basierende Dekontaminations­strategie. Das zur Umsetzung der Strategie erforderliche sondeninterne System für das Flüssigkeitsmanagement (Wasserprobe, Schmelzwasser, Dekonaminations­flüssigkeit) wurde im Raumfahrtlabor von Clemens Espe entwickelt.

Um eventuelle Hindernisse vor der Sonde und die Zielregion im Eis „sehen“ oder besser gesagt „hören“ zu können, entwickelte Peter Linder vom Institut für Bioengineering ein an die medizinische Ultraschallbildgebung angelehntes und an die extremen Umgebungs­bedingungen im Eis angepasstes System. Dies erfolgte in enger Zusammen­arbeit mit den Wissenschaftlern des III. Physikalischen Instituts B der RWTH Aachen unter der Leitung von Christopher Wiebusch.

„Eine für den Einsatz im Feld entwickelte Technologie muss in regelmäßigen Abständen unter realen Einsatzbedingungen getestet werden“, erklärt Dachwald. Vor der Proben­entnahme an den Blood Falls wurden deshalb drei Feldtests durchgeführt, zwei auf dem Morteratsch­gletscher in der Schweiz und der dritte auf dem Kanada­gletscher in den Dry Valleys der Antarktis. Erst danach erhielt das Projekt die offizielle Erlaubnis, die Blood Falls anbohren zu dürfen. Zwar bildeten die Feldtests den notwendigen Grundstein für den späteren Erfolg an den Blood Falls, allerdings meint EnEx-Projektmanagerin Julia Kowalski dazu: „Das fest vorgegebene Zeitfenster für den Feldversuch an den Blood Falls hat den Takt für das gesamte Projekt maßgeblich bestimmt und keine Verzögerungen im Zeitplan erlaubt. Dies war neben der Technologie­entwicklung eine der großen Herausforderungen von EnEx.“

Mit der erfolgreichen Probenentnahme konnten die Arbeitsgruppen der FH Aachen zusammen mit den anderen EnEx-Verbundpartnern zeigen, dass die entwickelten Technologien grundsätzlich funktionieren und potenziell auch auf Enceladus eingesetzt werden könnten. Die begonnenen Arbeiten sollen in weiteren Forschungsvorhaben innerhalb der „EnEx – Enceladus Explorer“-Initiative des DLR Raumfahrt­managements fortgeführt werden. An der FH Aachen sind als nächster Entwicklungsschritt Versuche in der Vakuumkammer des Raumfahrtlabors geplant, in welchen das Schmelz­verhalten der entwickelten Technologien unter Weltraum­bedingungen untersucht wird.

FH Aachen / DE

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