Kein neutrinoloser Doppelbetazerfall?
Experimente der EXO-200-Kollaboration setzen die mögliche Halbwertszeit des exotischen Zerfalls deutlich nach oben.
Seit über zehn Jahren bemühen sich Teilchenphysiker um die Entdeckung des neutrinolosen Doppelbetazerfalls. Beim normalen Doppelbetazerfall entstehen aus zwei Neutronen des Atomkerns je zwei Protonen, Elektronen und Elektron-Anti-Neutrinos. Die Halbwertszeit hierfür beträgt über 1021 Jahre. Sollten Neutrinos sogenannte Majorana-Teilchen sein und damit ihre eigenen Antiteilchen – wie von einigen supersymmetrischen Erweiterungen des Standardmodells gefordert –, so könnten sich die beiden Elektron-Anti-Neutrinos gegenseitig annihilieren und beim Zerfall träten keine Neutrinos auf. Dies ließe sich an der Energie- und Impulserhaltung der übrigen Zerfallsprodukte nachweisen.
Abb.: Die Spurendriftkammer mit dem flüssigen Xenon wird in den Kryostat eingeführt, der sie auf tiefsten Temperaturen hält. (Bild: EXO)
Über den Nachweis dieses exotischen Zerfalls würden viele Theoretiker sich freuen, hätten sie doch endlich ein über das Standardmodell der Teilchenphysik hinausweisendes Phänomen gefunden, mit dem sich auch die Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie neu beschreiben ließe. Nach den vorläufigen Ergebnissen der EXO-200-Wissenschaftler bleibt zunächst aber alles beim Alten. Nach sieben Monaten Messung müssen die Forscher nun die mögliche Halbwertszeit des Zerfallprozesses nach oben korrigieren: Sie beträgt demnach mindestens 1,6 × 1025 Jahre.
Um die nötige räumliche und zeitliche Auflösung sowie eine gute Unterdrückung des radioaktiven Untergrundes durch hochenergetische kosmische Strahlung zu erreichen, besteht das EXO-200-Experiment aus einer hochreinen, kupferummantelten Spurendriftkammer, 655 Meter unter der Erde in einem Bergwerk für niederradioaktive Abfälle im US-Bundesstaat New Mexico. In der Spurendriftkammer befinden sich 200 Kilogramm flüssiges Xenon, das zu 20 Prozent aus stabilem Xenon-134 und zu 80 Prozent aus angereichertem Xenon-136 besteht, das als einzigen Zerfallsvektor den Doppelbetazerfall kennt.
Auch wenn die Messreihe von September 2011 bis April 2012 bislang keinen Anhaltspunkt für einen neutrinolosen Doppelbetazerfall liefern konnte, so erlaubt sie immerhin eine neue Verortung der Neutrinomasse. Sofern sie tatsächlich Majorana-Teilchen sind, können die Forscher die Masse der Elektron-Neutrinos zu 0,14 bis 0,38 Elektronenvolt bestimmen. Zum Vergleich: Ein Elektron wiegt 500.000 Elektronenvolt.
Dirk Eidemüller
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PH