24.03.2017

Kleine Wellen, großer Preis

Der diesjährige Abel-Preis geht an Yves Meyer für die Entwicklung der mathematischen Theorie der Wavelets.

Ähnlich wie sich mit der Fourier-Transformation das Frequenzspektrum eines Schwingungsphänomens gewinnen lässt, erlaubt die Wavelet-Transformation, Zeitreihen zu analysieren, die auf Prozessen mit ganz unterschiedlichen Zeitskalen beruhen und auch diskrete Spitzen enthalten. Beispiele dafür sind Erdbeben oder Sonneneruptionen.

Der französische Mathematiker Yves Meyer hat im Laufe der 1980er-Jahre entscheidend zu einer mathematischen Theorie der Wavelets beigetragen. Dafür und für seine weiteren fundamentalen Beiträge zu Zahlentheorie, harmonischer Analysis und partiellen Differentialgleichungen erhält Meyer den diesjährigen Abel-Preis.

Dieser seit 2003 durch die Norwegische Akademie der Wissenschaften verliehene Preis, benannt nach dem norwegischen Mathematiker Niels Henrik Abel (1802 – 1829), gehört mit der Fields-Medaille zu den höchsten Preisen in der Mathematik. Während die Fields-Medaille alle vier Jahre an Mathematikerinnen und Mathematiker, die jünger als 40 Jahre sind, verliehen wird, hat der Abel-Preis keine Altersbeschränkung und wird alljährlich für „Beiträge von außerordentlicher Tiefe und Einfluss auf die mathematischen Wissenschaften“ vergeben. Der Preis ist mit 750.000 Euro dotiert.

Yves Meyer wuchs in Tunis auf und ging 1957 zum Studium der Mathematik nach Paris, wo er die Zulassung als Gymnasiallehrer erwarb. Seinen Militärdienst absolvierte er als Lehrer an einer Militärschule. Als er merkte, dass er nicht zum Lehrer geeignet war, schlug er die Forscherlaufbahn ein und wechselte an die Universität Strasbourg, wo er 1966 promovierte. Anschließend wurde Professor an der Université Paris-Sud. Bis zu seiner Emeritierung 1995 forschte er an der École normale supérieure Paris-Saclay (vormals Cachan). Danach arbeitete er weiter am Centre de mathématiques et de leur applications (CMLA) in Paris, dem er auch nach seiner Pensionierung 2008 weiter verbunden ist.

Yves Meyers Arbeiten befassen sich damit, mathematische Funktionen mit komplexen und veränderlichen Formen zu verstehen, wie sie etwa bei partiellen Differentialgleichungen vorkommen. Diese führten Meyer zur Beschäftigung mit den für die Strömungsphysik wesentlichen Navier-Stokes-Gleichungen, für die er wichtige Lösungen fand. Aus Arbeiten zur Zahlentheorie entwickelte Meyer in den 1960er-Jahren die mathematischen Grundlagen für eine Theorie der so genannten Quasikristalle. Diese konnte der israelische Physiker Dan Shechtman erstmals 1982 nachweisen, wofür er 2011 den Nobelpreis für Chemie erhielt.

Die Wavelet-Analyse ist mittlerweile allgegenwärtig, wenn es um die Verarbeitung von Signalen und Bildern geht, und spielt eine wichtige Rolle bei der Bildkomprimierung. In diesem Kontext stehen Yves Meyers Arbeiten, mit denen er sich in den vergangenen zwanzig Jahren besonders beschäftigte. So leistete er wichtige Beiträge zur Bildkomprimierung und Datenübertragung bei den Weltraumteleskopen Herschel und Hubble. Derzeit arbeitet er an Algorithmen zum Nachweis kosmischer Gravitationswellen.

Meyer erhielt bereits zahlreiche Ehrungen und Preise, darunter 2010 den Carl-Friedrich-Gauß-Preis, den die International Mathematical Union und die Deutsche Mathematiker-Vereinigung alle vier Jahre verleihen. Von Kollegen und Schülern wird er wegen seiner Großzügigkeit und Offenheit gegenüber anderen Gebieten geschätzt. „Ich bin nicht klüger als meine standfesteren Kollegen“, sagt Meyer, „ich bin immer ein Nomade gewesen, intellektuell und institutionell.“

Alexander Pawlak

 

 

 

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