Kollisionen im kalten Gas
Zusammenstoß einzelner Atome führt zu zweifacher Änderung des Drehimpulses.
Dank neuer Technik ist es möglich, einzelne Atome festzuhalten, gezielt zu bewegen oder ihren Zustand zu verändern. In einer aktuellen Studie haben Forscher um Artur Widera und Felix Schmidt von der TU Kaiserslautern und Eberhard Tiemann von der Uni Hannover die Folgen des Zusammenstoßes zweier Atome in einem schwachen Magnetfeld bei geringer Temperatur untersucht. Erstmals haben sie beobachtet, dass die Atome, deren Drehimpuls quantisiert ist, hierbei zwei Quanten austauschen. Auch zeigte sich, dass sich die Wechselwirkungsstärke zwischen den Atomen dabei steuern lässt. Interessant ist das, um etwa chemische Reaktionen zu untersuchen.
Die Forscher verwenden dabei ein Bose-Einstein-Kondensat aus Rubidium-Atomen. Sie untersuchten, welche Effekte es gibt, wenn ein einzelnes Cäsium-Atom auf ein Rubidium-Atom trifft. Um die Teilchen zu beobachten, müssen die Forscher sie zunächst auf Temperaturen dicht über dem absoluten Temperaturnullpunkt abkühlen. „Im Anschluss haben wir die Atome mit einer optischen Pinzette miteinander in Kontakte gebracht“, sagt Schmidt. Hierbei werden Atome mithilfe von Laserstrahlen festgehalten. Die Forscher haben nun ein einzelnes Cäsium-Atom in das Rubidium-Gas gegeben, um zu messen, was vor und nach dem Zusammenstoß der Atome passiert.
Die Wissenschaftler haben beobachtet, wie die Teilchen beim Stoß ihren Drehimpuls ändern, indem sie den Zustand des einzelnen Cäsium-Atoms vor und nach dem Zusammenstoß vermessen haben. Die Forscher haben beobachtet, dass die Atome bei einem einzelnen Stoß gleich zwei Drehimpuls-Quanten auf einmal austauschen können. Beobachtet wurde bisher lediglich der Austausch eines einzelnen Quanten. „Das ist nur möglich, weil wir das Experiment in einem niedrigen Magnetfeld durchgeführt haben“, sagt Schmidt. Auf diese Weise ist die Energie der Atome so niedrig, dass vor allem die Wechselwirkung zwischen den einzelnen Bausteinen der beiden das Ergebnis des Stoßes bestimmt. „Dadurch ist es möglich, dass es gleichzeitig zum Übertrag von zwei Elementar-Quanten kommt, also zur zweifachen Änderung des Drehimpulses“, so Schmidt weiter.
Darüber hinaus haben die Wissenschaftler einen weiteren Effekt beobachtet. „Das schwache Magnetfeld und die geringe Bewegungsenergie führen dazu, dass die Atome auch bei einem Abstand tausendmal größer als die Atome selbst zueinander in Wechselwirkung stehen“, fährt Schmidt fort. Ändert man gezielt die Stärke des Magnetfelds, ließe sich auch diese Wirkung steuern. Der Effekt steht im direkten Zusammenhang mit einem sehr großen und sehr schwach gebundenen Molekülzustand zwischen beiden Teilchen. „Indirekt konnten wir so ein riesiges Molekül von circa zwei Mikrometern Größe beobachten“, sagt Schmidt.
Diese Kenntnisse über die Wechselwirkung zwischen Teilchen bei sehr niedrigen Energien können zum Beispiel helfen, um Bindungen bei Molekülen zu untersuchen. Sie bestehen wenigstens aus zwei Atomen, die über Wechselwirkungen miteinander verbunden sind. Damit wäre es unter anderem möglich, sehr große Moleküle zu präparieren und zu erforschen.
TU Kaiserslautern / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
F. Schmidt et al.: Tailored single-atom collisions at ultra-low energies, Phys. Rev. Lett. 122, 013401(2019); DOI: 10.1103/PhysRevLett.122.013401 - Individual Quantum Systems (A. Widera), FB Physik, Technische Universität Kaiserslautern
- Molekulare Quantengase, Institut für Quantenoptik, Fklt. für Mathematik und Physik, Leibniz-Universität Hannover