06.01.2017

Kometenlandung und Anthropozän

Jahresrückblick Sonnensystemforschung 2016.

Im Jahr 2016 gab es nur wenige neue Missionen im Planeten­system. Die Jupiter­sonde JUNO der NASA erreichte den Jupiter, Japans Akatsuki nach einem Triebwerks­ausfall und einer Ehrenrunde um die Sonne schließlich die Venus und begann ihre wissenschaftliche Arbeit. Vor allem Raum­sonden bei Asteroiden, Kometen und Klein­planeten erreichten wie schon im Vorjahr die größte Aufmerksamkeit.

Abb.: Aufnahmen der Navigationskamera von Rosetta zeigen helle Flecken am Hang oberhalb der Imhotep-Ebene auf dem Kometen Tschurjumow-Gerassimenko. Hier fanden die Forscher jetzt Wassereis. (Bild: ESA)

Die Europäische Raumfahrt­agentur (ESA) beendete am 30. September 2016 die Mission Rosetta. Die Mutter­sonde teilte an diesem Tag das Schicksal des schon 2014 gelandeten Philae und wurde behutsam auf die Oberfläche des Kometen Tschurjumow-Gerasimenko gelenkt. Das Absinken passierte so langsam, dass das letzte Bild der OSIRIS-Kamera an Bord aus einer Höhe von nur noch 20 Metern übermittelt werden konnte.

Die von Rosetta in über drei Jahren am Kometen gesammelte Daten­menge ist längst noch nicht komplett ausgewertet. Doch die gewonnenen Erkenntnisse über den Kometen entwickelten sich im Laufe des Jahres zunehmend von isolierten Einzel­beobachtungen zu einem grund­legenden Verständnis seiner Entwicklung. Zunächst gelang der Nachweis von mehreren Edelgasen, einem Trocken­eis­zyklus sowie von Wassereis auf der Kometen­oberfläche, das dort nur nach Hang­rutschen kurzzeitig Bestand haben kann. Auch der Nachweis von komplexeren organischen Verbindungen war für sich nicht überraschend, gilt aber als Indiz, dass Kometen solche Grund­bausteine des Lebens einmal zur Erde gebracht haben könnten. Dazu kommt, dass das auf dem Kometen vorkommende Eis aufgrund seiner feinen Poren in Sonnen­nähe chemische Reaktionen begünstigt. Schließlich deuteten Forscher aufgrund der eher labilen Struktur des hantel­förmigen Kometen­kerns, dass dessen zwei Teile erst spät zueinander gefunden haben dürften. Dennoch handelt es sich bei den zwei Einzel­teilen des Kometen wohl wie zuvor angenommen um Urmaterie aus der Entstehungs­zeit des Planeten­systems.

Abb.: Helle Flecken auf Ceres, aufgenommen von der Dawn-Raumsonde (Bild: NASA / JPL-Caltech / UCLA / MPS / DLR / IDA)

Vor allem ein Kleinplanet beschäftigte die Planetologen ausgiebig, darunter der größte Körper des Haupt­gürtels Ceres, den seit März 2015 die amerikanisch-deutschen Raum­sonde Dawn umkreist. Erst Ende 2015 wurde der Orbit von Dawn auf gerade noch 200 Kilometer abgesenkt, damit die Instrumente mehr Details auf der Oberfläche abbilden können. Eine der größten Fragen der Mission ist die nach aktiven geologischen Prozessen auf und unter der Oberfläche. Mehrere weiße Flecken auf Ceres deuteten schon bei Dawns Anflug auf eine Form von Kryo­vulkanismus hin, die nun bestätigt wurden: Der äquator­nahe Vulkan Ahuna Mons ist tatsächlich von Ablagerungen bedeckt, die aus einem Gemisch aus Wassereis, Chloriden und anderen Salzen bestehen. Dazu deuten erdgestützte Aufnahmen auf einen tages­zeitlichen Zyklus hin – vermutlich im Sonnen­licht mobilisiertes Wassereis oder Magnesium­sulfat.

Obwohl die Sonde New Horizons schon im Juli 2015 an Pluto und seinen Monden vorbeigeflogen war, schloss die NASA die Daten­übertragung wegen der großen Distanz von bis dahin über fünf Milliarden Kilometer erst im Oktober 2016 ab. Wie bei Rosetta und Dawn dürfte ein Großteil der Ergebnisse erst in den nächsten Monaten und Jahren folgen. Die Forscher entschlüsselten aber bereits die Ablagerungen in der Nord­hemisphäre des größten Pluto­mondes Charon. Dieses „rote Käppchen“ besteht offenbar aus einer Mischung verschiedener organischer Makro­moleküle, die ausgasendes Methan von Pluto hier hinterlassen hat. Weit hinter der Plutobahn sagten US-Forscher einen weiteren planeten­großen Körper voraus. Obwohl der Nachweis dieses vermutlich sehr licht­schwachen Objekts noch aussteht, schlossen andere Forscher auf Basis der Entwicklung des übrigen Planeten­systems, dass jener mutmaßliche Planet 9 den äußeren eisigen Gasriesen Uranus und Neptun ähneln dürfte.

Abb.: Der Plutomond Charon zeigt an seinem Nord­pol eine auf­fällige röt­liche Ver­färbung. (Bild: NASA / Johns Hopkins U. / South­west Research Institute)

Zum Mars flog dieses Jahr nur eine Mission, nachdem die NASA den für März 2016 geplanten Start ihres geo­physikalisch ausgerichteten Landers Insight um zwei Jahre verschieben musste. Europas ExoMars Trace Gas Orbiter (TGO) hingegen startete am 14. März. Er ist gemeinsam mit seinem Lander Schiaparelli mit 4332 Kilogramm die masse­reichste Mars­sonde, die jemals das Erd­schwere­feld verlassen hat. Die Instrumente des ExoMars TGO lieferte bereits erste Bilder, während wissenschaftliche Ergebnisse über die Spuren­gase in der Mars­atmosphäre – dem Schwer­punkt der Mission – erst später zu erwarten sind. Der zur Demonstration einer weichen Landung mitgeführte Schiaparelli versagte zwar aufgrund eines Softwarefehlers und zerschellte auf der Oberfläche. Die ESA-Minister­rats­konferenz entschied sich dennoch im Dezember, am nun auf 2020 verschobenen Exomars-Rover festzuhalten.

Vergangenheit von Mond, Gegenwart der Erde

Der Erdmond ist dem gängigen Modell zufolge bei einer Kollision der Erde mit dem etwa mars­großen Planeten Theia vor 4,5 Milliarden Jahren entstanden. Dieser Aufprall war wohl deutlich direkter und damit energiereicher als bisher angenommen. Das erkläre laut den beteiligten Forschern, warum sich das irdische Gestein mit dem des Einschlags­körpers weitgehend vermischt habe – und es bis heute in den Isotopen­signaturen von Erde und Mond kaum Unterschiede gebe.

Abb.: Künstlerische Darstellung des Aufpralls von Theia auf der Erde. (Bild: NASA / JPL)

Wie bei der Entstehung des Erde-Mond-Systems macht auch das Verständnis des tiefen Erd­inneren weiter Fortschritte. Zu den bisherigen wissenschaftlichen Rätseln zählt das Geodynamo-Paradoxon: Wie kann die junge Erde bereits ein ausgeprägtes Magnetfeld besessen haben, wenn Berechnungen über die Eigenschaften des Erdkerns eher dagegen sprechen? Einem Forscherteam gelang es nun zum ersten Mal, das unter extremem Druck stehende flüssige Eisen im äußeren Erdkern experimentell zu erzeugen. Sie widerlegten die theoretischen Vorhersagen und konnten somit das Paradoxon auflösen. Ein früher Geodynamo war schon vor über 3,4 Milliarden Jahren möglich – in einer Zeit, als die ersten Arten auf der Erde auf sein Funktionieren zunehmend angewiesen waren. Dazu dürfte ein größerer Anteil von Magnesium im Erdkern beigetragen haben. Erst dieses Magnet­feld ermöglichte wohl auch die Existenz der Erd­atmosphäre vor über drei Milliarden Jahren, die wegen der sehr aktiven Sonne sonst kaum stabil gewesen wäre.

Der Mensch wiederum verändert die Erde heute so massiv wie keine Art es bisher getan hat. Eine dafür eingesetzte Arbeits­gruppe schlug deshalb auf dem Internationalen Geologischen Kongress in Kapstadt vor, das Zeitalter des Menschen offiziell als strati­graphische Einheit anzuerkennen: Das Anthropozän. Das zeigt sich etwa im Ausmaß der Licht­verschmutzung und des zunehmenden Anteils von Süßwasser rund um die Antarktis, das der Klima­wandel begünstigt. Denn während sich das Meereis im Winter immer weiter nach Norden ausbreitet, schmilzt im Sommer wiederum immer mehr davon. Während­dessen schrumpft das Ozonloch über der Süd­hemisphäre im gleichen Umfang, in dem der Anteil von größtenteils von Menschen freigesetzter Chlor­verbindungen in der Atmosphäre abnimmt.

Karl Urban

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