Kommerzielle Satelliten gefährden die Radioastronomie
Neue Ausgabe von Physikkonkret von der Deutschen Physikalischen Gesellschaft.
Die Anzahl von meist kommerziellen Satelliten, insbesondere auf erdnahen Umlaufbahnen, nimmt in jüngster Zeit besorgniserregend zu. Die damit einhergehende wachsende Nutzung von Radiofrequenzen für die Kommunikation, für Rundfunk und Fernsehen oder zivile und militärische Radare stellt, neben der Gefahr von Kollisionen nicht zuletzt mit Satellitenschrott, zunehmend eine Herausforderung für die Erforschung des Universums dar.
Denn alle nutzen für die Kommunikation ein jeweils wohldefiniertes Fenster des elektromagnetischen Spektrums. Das ist von der Internationalen Fernmeldeunion genau reguliert. Darüber wachen nationale Regulierungsbehörden – in Deutschland vergibt die Bundesnetzagentur die notwendigen Lizenzen. Auch für wissenschaftliche Anwendungen sind Teile des Spektrums vorgesehen, so etwa für die Radioastronomie. Auf einigen dieser Frequenzen ist die aktive Funkaussendung sogar verboten. Das trifft beispielsweise auf den Bereich um ν = 1420 Megahertz zu, wo der atomare neutrale Wasserstoff nach λ = c/ν die berühmte Linie bei der Wellenlänge λ = 21 cm abstrahlt. Wasserstoff ist letztlich der Baustein aus dem neue Sterne gebildet werden und bildet die Basis des kosmischen Lebenszyklus. Entsprechend ist seine Erforschung für die Wissenschaft von fundamentaler Bedeutung.
Doch leider strahlt jedes elektrische respektive elektronische Gerät auch Störsignale, die Leckstrahlung, aus, sofern diese nicht abgeschirmt werden. So können zum Beispiel hohe Spannungen zu Funkenbildung führen, die Radiowellen erzeugen. Sogar Leiterbahnen auf Platinen können ungewollt als Antennen fungieren. Für nahezu alle am Markt befindlichen Geräte muss daher im Vorfeld die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) nachgewiesen werden, was bedeutet, dass die Störsignale gewisse Grenzwerte nicht überschreiten dürfen.
Für Satelliten gibt es ebenfalls EMV-Standards. Diese zielen aber nur darauf ab, dass sich einzelne Komponenten innerhalb eines Satelliten nicht gegenseitig stören. Radioastronomen konnten nun zeigen, dass die Leckstrahlung von Satelliten negative Auswirkungen auf ihre hochempfindlichen Messungen haben könnten. Europäische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben mit dem LOFAR-Radioteleskop störende Strahlung der SpaceX/Starlink-Satellitenkonstellation nachgewiesen. Starlink sendet eigentlich bei Frequenzen zwischen 10,9 und 12,7 Gigahertz Nutzsignale aus. Die nun gefundene Strahlung wurde aber bei Frequenzen zwischen 110 und 188 Megahertz beobachtet und kann damit unter anderem Messungen von Pulsaren aber auch Beobachtung von Galaxien und deren Magnetfeldern beeinträchtigen. Deswegen bereitet die hohe Zahl an geplanten Satelliten den Forschenden Kopfschmerzen. Insbesondere für Messungen, die Daten über viele Jahre sammeln, um winzige statistische Effekte zu finden, ist der Umgang mit den Störungen extrem schwierig.
Damit die Radioastronomie auch in Zukunft möglichst störungsfrei arbeiten kann, sind daher rasch entsprechende Regulierungen zu treffen. Zeitgleich sind technische Maßnahmen zu entwickeln, um die Situation zu verbessern. Gerade SpaceX ist da in der Vergangenheit mit gutem Beispiel vorangegangen. Nur so kann die erdgebundene Radioastronomie weiterhin wichtige Erkenntnisse darüber liefern, wie das Universum entstanden ist und was es „im Innersten“ zusammenhält.
DPG / JOL