22.05.2014

Kompakte Protonentherapie gegen Krebs

Medizinphysiker schlagen neues, Platz sparendes Design für die gesamte komplexe Maschine vor – vom Beschleuniger bis zum Bestrahlungsplatz.

Die Protonentherapie ist im Kampf gegen Krebs besonders präzise, zugleich schädigt sie gesundes Gewebe weniger als die etablierte Strahlentherapie mit harter Röntgenstrahlung. Eine Anlage für die Bestrahlung mit Protonen besteht heute aus einem Ringbeschleuniger und einer riesigen, um 360 Grad drehbaren Stahlkonstruktion, der Gantry. Dazwischen fliegen die Protonen durch die Beamline, wo schwere Elektromagneten sie auf ihrer Bahn halten.

Abb.: Die Anlage der Universitäts-Protonentherapie Dresden, rechts der Kreisbeschleuniger, links die Gantry mit der Patientenliege in der Mitte, dazwischen das Strahlrohr, wo Magneten (gelb) den Protonenstrahl formen und lenken. Protonen lassen sich aber auch in den Experimentierraum (Mitte) abzweigen. (Bild: OncoRay)

Nur zwei deutsche Universitäten bieten derzeit die Protonentherapie an, Heidelberg und Essen, Dresden steht kurz vor der Inbetriebnahme. Die Gründe erläutert Michael Baumann, Direktor der neuen Universitäts-Protonentherapie Dresden und des OncoRay – Nationales Zentrum für Strahlenforschung in der Onkologie: „ Zum einen muss die Therapie mit Protonenstrahlen noch für unterschiedliche Krebserkrankungen genau erforscht werden; sie könnte bei 15 bis 20 Prozent deutliche Vorteile gegenüber der etablierten Strahlentherapie haben. Zum anderen sind die dafür benötigten Anlagen sehr groß und teuer. Diese Therapieform wird sich deshalb umso besser durchsetzen, je kompakter und günstiger die zur Verfügung stehenden Geräte sind.“

Dafür ist es notwendig, die drei Hauptkomponenten Beschleuniger, Strahlrohr und Gantry zu schrumpfen – und das gelingt dem Doktoranden Umar Masood in seiner Designstudie. Er ersetzt zunächst den herkömmlichen Ringbeschleuniger durch einen neuartigen Laserbeschleuniger, bei dem die Beschleunigungsstrecke nur einige Millimeter lang ist. Erstmalig konnte er aber auch die auf den Beschleuniger folgenden Komponenten deutlich verkleinern.

„Wir müssen in den nächsten Jahren alle Komponenten komplett neu entwickeln“, erläutert der am University College London ausgebildete Umar Masood, der auf mehrere Jahre Klinikerfahrung zurückblickt und der für seine Doktorarbeit in Dresden eng mit Forschern am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR), an der Technischen Universität sowie am Universitätsklinikum Dresden – gemeinsam tragen diese Einrichtungen das OncoRay-Zentrum – kooperiert. „Das liegt daran, dass von einem Laser produzierte Teilchenstrahlen andere Eigenschaften besitzen als die aus einem Ringbeschleuniger. Sie weisen eine viel größere Energieverteilung bzw. Bandbreite auf“, so Masood.

Auf den ersten Blick ein erheblicher Nachteil. Die gängige Bestrahlungsmethodik basiert darauf, dass eine Geschwulst mit einem bleistiftförmigen Strahl mit engem Energiefenster Punkt für Punkt abgerastert wird, beginnend mit einer höheren Energie, die nach und nach abgesenkt wird. So erreicht der Protonenstrahl im Volumen des Tumors präzise jede Stelle. Da er den Großteil seiner Energie immer erst am Ende des zurückgelegten Wegs abgibt, bleibt das hinter dem Tumor liegende, gesunde Gewebe von möglichen Strahlenschäden verschont.

Bei der Bestrahlung mit laserbeschleunigten Protonen muss wegen des breiten Energiefensters ein großer Teil der Protonen aus dem Strahl entfernt werden, um ein vergleichbar enges Energiefenster zu erreichen. Damit sinkt die Effektivität. Masood hat jedoch eine innovative Lösung für dieses Dilemma: Er nutzt nicht nur die breitere Energieverteilung, sondern auch den größeren Durchmesser des Protonenstrahls, der somit seine Dosis in einem größeren Volumen abgibt. Damit werden in einer identischen Zeiteinheit viel mehr Krebszellen gleichzeitig bestrahlt. Für die Berechnung der Dosisabgabe bei der Behandlungsplanungentwickelt die TU München eine spezielle Software .

Eine weitere Eigenschaft der laserbeschleunigten Protonen liegt darin, dass es sich nicht um einen kontinuierlichen Teilchenstrahl, sondern um einzelne Teilchenpakete bzw. -pulse handelt. Für gepulste Strahlen können stärkere Magnete für die Strahlführung vom Beschleuniger zum Patienten eingesetzt werden – eine wichtige Voraussetzung, um das Strahlrohr, vor allem aber die Gantry zu verkleinern. In Dresden setzt man auf gepulste Magnete, mit denen das Hochfeld-Magnetlabor Dresden am HZDR sehr viel Erfahrung hat.

Abb.: Eine Magnetspule formt zunächst die durch das intensive Laserlicht direkt in der Gantry beschleunigten Protonen zu einem Strahl, den Dipolmagnet (links) um eine 90-Grad-Kurve lenkt und Protonen unerwünschter Energie abschneidet. Mehrere Quadrupolmagnete halten den Strahl auf Kurs. Ein zweiter Dipolmagnet lenkt den Strahl entgegen der ursprünglichen Beschleunigungsrichtung ab und hin zur in der Gantry-Mitte befindlichen Patientenliege (rechts; Bild: U. Masood, HZDR)

Masood musste unterschiedlichste Varianten testen, um die Strahlführung für laserbeschleunigte Protonenstrahlen überhaupt konzipieren zu können. Eine Magnetspule formt zunächst die durch das intensive Laserlicht direkt in der Gantry beschleunigten Protonen zu einem Strahl. Dann lenkt ein sogenannter Dipolmagnet den Strahl um eine 90-Grad-Kurve und sorgt auch gleich dafür, dass aus dem breiten Energiefenster die nicht benötigten Protonen abgeschnitten werden. Mehrere Quadrupol genannte Magnete, die ebenfalls immer nur für rund hundert Millisekunden eingeschaltet werden, halten den Strahl auf Kurs. Dies ist bei einem gepulsten Strahl mit einer breiten Energieverteilung durchaus trickreich, denn es sind dabei immerhin sechs Dimensionen zu berücksichtigen. Ein zweiter Dipolmagnet lenkt den Strahl entgegen der ursprünglichen Beschleunigungsrichtung ab und hin zur in der Gantry-Mitte befindlichen Patientenliege.

Obwohl nun erstmals eine komplette Anlage auf der Basis eines Laserbeschleunigers modelliert wurde, sind bis zu deren Verwirklichung noch viele Hürden zu nehmen. So müssen die verschiedenen gepulsten Magnete entwickelt und getestet werden. Auch reichen die Energien der laserbeschleunigten Protonen derzeit noch nicht aus, um Tumore tief im Patientenkörper zu treffen. Deshalb erfährt der im HZDR vorhandene Draco-Laser derzeit einen Upgrade und erhält zudem eine größere Schwester: Penelope, die mit einer Leistung von einem Petawatt zu den weltweit stärksten Lasern gehören wird. „Nach rund fünf Jahren intensiver Forschung an Draco gehen wir heute davon aus, dass wir die nötigen Parameter für die Patientenbestrahlung erreichen können“, ist Ulrich Schramm, Institutsdirektor und Leiter der Abteilung Laser-Teilchenbeschleunigung am HZDR, überzeugt.

HZDR / OD

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