13.03.2024

Kontrollierte Zustände in Kagome-Metallen

Instabilitäten in Quantenmaterialien könnten für nichttriviale elektronische Anwendungen taugen.

Elektronen in Metallen neigen dazu, bei Nulltemperatur, wenn alle kinetische Energie gelöscht ist, nur ein Verhalten zu zeigen. Man muss die elektronische Wechsel­wirkung stören, um die Dominanz einer bestimmten elek­tronischen Ordnung zu brechen und mehrere mögliche Konfigura­tionen zu ermöglichen, was die Vielfalt ihres Verhaltens wieder­herstellt und die Signaturen der Quantenmechanik verstärkt. Jüngste Ergebnisse zu Kagome-Netzen deuten darauf hin, dass dieses Dreiecks­gitter in jener Hinsicht recht effektiv ist.

Abb.: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme einer hexagonal geformten...
Abb.: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme einer hexagonal geformten Mikrostruktur.
Quelle: C. Guo, MPSD

Das zweidimensionale Kagome-Gitter, benannt nach dem japanischen Flechtmuster eines Bambuskorbes, besteht aus einer Reihe von Dreiecken, die sich die Ecken teilen. Wenn jede Ecke mit magnetischen Momenten mit antiferro­magnetischen Korrelationen besetzt ist, begünstigen die nächstgelegenen Wechselwirkungen nicht zueinander ausgerichtete Spins. Das System ist daher geometrisch frustriert und erreicht einen magnetisch geordneten Zustand, der als magnetische Frustration bezeichnet wird. In den späten 1980er Jahren wurde gezeigt, dass das antiferro­magnetische Kagome-Gitter möglicher­weise das frustrierteste 2D-Magnetsystem ist, das man konstruieren kann. 

Eine bestimmte Gruppe von Kagome-Supraleitern hat in jüngster Zeit eine intensive wissenschaftliche Debatte ausgelöst, wobei eine Reihe von Studien scheinbar wider­sprüchliche Eigenschaften dieser Materialien aufgedeckt hat. Nun ist es einem internationalen Forschungsteam unter der Leitung von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Struktur und Dynamik der Materie in Hamburg gelungen, ein Mitglied dieser Gruppe von Kagome-Materialien ohne äußere Stör­einflüsse zu untersuchen – ein entscheidender Schritt für das Verständnis seines intrinsischen elek­tronischen Grundzustands.

Wenn 2D-Kagome-Netze zu 3D-Metallen kombiniert werden, werden diese Kagome-Metalle zu einem reichhaltigen Testfeld für die Erforschung des Zusammenspiels zwischen nicht-trivialen topo­logischen Anregungen und starken elek­tronischen Korrelationen. Darüber hinaus verhindert die starke geometrische Frustration die Etablierung elektronischer Ordnungen, da mehrere mögliche Grund­zustände energetisch nahezu entartet sind. Dies bedeutet, dass es zwei oder mehr mögliche elektronische Grundzustände gibt, die energetisch nahezu gleichwertig sind. Da die Energieskala des Systems durch die elektronischen Korre­lationen weiter normalisiert wird, weisen Kagome-Metalle häufig eine verflochtene elektronische Ordnung auf, da selbst minimalste Störungen ihre physika­lischen Eigenschaften drastisch verändern. 

Aufgrund ihres strukturellen Aufbaus und ihrer magnetischen Frustrationen reagieren die Eigenschaften von Kagome-Materialien selbst auf scheinbar geringe Störungen sehr stark. Diese extreme Abstimmbarkeit wurde durch die jüngsten Fortschritte bei einer Gruppe von Kagome-Supraleitern, AV3Sb5, deutlich veran­schaulicht. Diese Materialien zeigen elektronische Ordnungen bei etwa einhundert Kelvin und einen supraleitenden Grundzustand mit einer kritischen Temperatur bei etwa drei Kelvin. Darüber hinaus hat eine beein­druckende Reihe von Experimenten gezeigt, dass in diesem Material noch etwas anderes vor sich geht, was oft mit einer Anfangs­temperatur von dreißig Kelvin verbunden ist. Wissenschaftler versuchen, zu verstehen, was diese Veränderungen sind und warum sie auftreten. Bislang sind die Forschungs­ergebnisse offenkundig widersprüchlich und stark umstritten.

Nun haben die Forschenden gezeigt, dass dieser auf den ersten Blick widersprüchliche Zustand kein Fehler ist. Er ist eine direkte Folge des unkonven­tionellen Grundzustands von AV3Sb5, der mehrere miteinander verflochtene elektronische Ordnungen aufweist. Daher kann das System durch äußere Störeinflüsse wie Dehnungen oder Magnetfelder aus seinem eigentlichen Grundzustand heraus­gelöst werden, was zu kontroversen experimentellen Beobachtungen führt. Um den inhärenten elek­tronischen Grundzustand ohne Störungen zu identifizieren, entwickelten sie einen neuartigen spannungsfreien Ansatz, der auf der Technik des fokussierten Ionenstrahls basiert, um AV3Sbvon Störungen wie der thermischen Differenzial­spannung zu isolieren. Diese technischen Fortschritte ermöglichten es, den intrinsischen elek­tronischen Grundzustand sowie dessen drastische Reaktion auf äußere Störungen in diesen Kagome-Supraleitern eindeutig zu bestimmen. Diese Arbeit liefert ein einheit­liches Bild der umstrittenen Ladungsordnung in Kagome-Metallen. 

Die leicht zu manipulierenden elektronischen Ordnungen in Kagome-Metallen verdeutlichen die Notwendigkeit einer Material­kontrolle auf mikro­skopischer Ebene, um emergente Symmetrie­brechungen in Quanten­materialien zu identifizieren. Sie weisen auch auf einen spannenden Weg in Richtung zukünftiger Elektronik hin. Da die Störungen, die zur Änderung des elek­tronischen Grundzustands erforderlich sind, äußerst gering sind, bietet die Studie wichtige Einblicke in die seit langem bestehenden Vorschläge für nicht­triviale elektronische Anwendungen, die auf elektronischen Instabilitäten in Quanten­materialien beruhen.

MPSD / JOL

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