Kosmische Strahlung hat Knie und Knöchel
Kascade-Grande-Experiment zeigt Energiespektrum für leichte und schwere kosmische Teilchen.
Die Daten des Kascade-Grande-Experimentes des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) zeigen, dass das so genannte „Knie“ der kosmischen Strahlung, ein Abknicken des Energiespektrums bei hohen Energien, für leichte und schwere Teilchen bei unterschiedlichen Energien auftritt. Für die leichten Teilchen flacht das Energiespektrum bei Energien jenseits des Knies wieder ab und bildet eine Art „Knöchel“. Diese Struktur ist ein Hinweis, dass die Teilchen der kosmischen Strahlung mit Energien jenseits des Knies nicht in der Milchstraße, sondern in anderen Galaxien beschleunigt werden.
Abb.: Mit dem Messfeld Kascade-Grande auf dem Gelände des KIT untersuchten die Wissenschaftler Teilchenschauer, die durch kosmische Strahlung ausgelöst werden. (Bild: KIT)
Das mit 37 Detektorstationen erweiterte Kascade-Experiment hat über mehr als ein Jahrzehnt Teilchenschauer gemessen, die von hochenergetischer primärer kosmischer Strahlung ausgelöst werden. Im vergangenen Jahr ging es in den Ruhestand, konnte aber bei der Gesamtanalyse aller genommenen Daten nun noch einmal ein wissenschaftliches Highlight entdecken.
Der Fluss der kosmischen Strahlung nimmt mit zunehmender Energie der Teilchen stark ab. Ewas oberhalb einer Energie von 1015 Elektronenvolt ändert sich die „Steilheit“ der Energieabnahme: Dadurch entsteht ein Knick im Spektrum, das „Knie“ der kosmischen Strahlung. Kascade-Grande konnte zeigen, dass das Knie für leichte und schwere Elemente bei unterschiedlichen Energien auftritt, und dass dieser Unterschied mit der Ladung zusammenhängt.
Doch woher kommt das Knie und warum ist dessen Ursache abhängig von der Ladung des kosmischen Teilchens? Eine mögliche Erklärung hierfür geben die Magnetfelder in der näheren Umgebung der kosmischen Beschleuniger. Diese funktionieren zu hohen Energien hin effektiver für Teilchen mit höherer Ladung. Zudem besitzt unsere eigene Galaxie eine magnetische Hülle, die ein Entweichen eines Großteils der Teilchen aus unserer Milchstraße verhindert. Die bisherigen Ergebnissen von Kascade-Grande deuten darauf hin, dass die primären Partikel der kosmischen Strahlung nur bis zu Energien um 1017 Elektronenvolt in unserer Milchstraße erzeugt und gespeichert werden können. Teilchen mit noch höherer Energie haben demnach ihren Ursprung außerhalb der Milchstraße. Der Übergang von einer galaktischen zu einer extragalaktischen kosmischen Strahlung wird im Energiebereich von knapp oberhalb 1018 Elektronenvolt, beim sogenannten „Knöchel“ des Spektrums vermutet. Folgt man der obigen Theorie zur Entstehung des Knies, sollte der Übergang zu einer überwiegend extragalaktischen kosmischen Strahlung zuerst im Energiespektrum der leichten Primärteilchen sichtbar werden, da zunächst diese aus ihrer Heimatgalaxie entweichen.
Abb.: Das Spektrum der kosmischen Strahlung mit Knie und Knöchel. Während das Knie für leichte und schwere Primärteilchen bei verschiedenen Energien auftritt, ist jetzt von KASCADE-Grande erstmals eine knöchelartige Struktur bei leichten Primärteilchen detektiert worden. (Bild: KIT)
Die jetzt gelungene Identifizierung einer knöchelartigen Struktur in der leichten Komponente schon bei relativ niedrigen Energien bevorzugt Theorien, die einen frühen Beitrag der extragalaktischen kosmischen Strahlung vorhersagen. „Ob es sich bei den von Kascade-Grande gemessenen hochenergetischen leichten Primärteilchen tatsächlich um Atomkerne aus einer anderen Galaxie handelt, kann aber erst durch die Hinzunahme zukünftiger Ergebnisse anderer Experimente, die das Spektrum bei den höchsten Energien untersuchen, bestätigt werden“, sagt Sven Schoo, der als Diplomand am KIT federführend die Analyse durchgeführt hat.
KIT / AH