07.02.2017

Kristalle züchten mit Hochdruck

Neue Kristallzüchtungsanlage arbeitet mit hohen Drücken ohne Präzisionsverluste.

Der aus dem Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoff­forschung Dresden (IFW) ausgegründeten Technologiefirma Scientific Instruments Dresden (ScIDre) ist es gelungen, eine einzigartige Kristall­züchtungs­anlange auf den Markt zu bringen. Besonders und weltweit erstmalig ist die Züchtung von hoch­schmelzenden Einkristallen unter Gasdrücken von bis zu 300 bar bei frei wählbarer Zusammen­setzung der Gasmischung. Damit steht ein völlig neuer Parameter­bereich zur Materialsynthese offen. Erster Abnehmer der neuesten ScIDre-Maschine ist die Johns Hopkins University im amerikanischen Baltimore. Mit innovativen Produkten wie diesem sichert ScIDre seit 2009 die Arbeitsplätze des Sächsischen Unternehmens.

Abb.: Im Brennpunkt des oberen Spiegels des HKZ befindet sich die Prozesskammer. Hier findet bei Temperaturen bis 3000 Grad Celsius und einem Gasdruck bis 300 bar die Kristallzüchtung statt. (Bild: Scidre)

Ein zentrales Thema der grundlagenorientierten Material­wissenschaft ist die Herstellung komplexer Einkristalle. Diese in der Natur oft nicht existenten Materialien weisen ganz besondere Eigenschaften auf, deren Erforschung zunächst zum grundlegenden Verständnis physikalischer Phänomene beiträgt. Es sind dann aber auch diese Materialien, die aufgrund ihrer Eigenschaften in verschiedenen, technisch relevanten Bereichen wie Daten­speicherung, Hoch­leistungs­elektronik oder -optik ihre Anwendung finden.

Mit einer Vorgängerversion der neuen Hochdruck-Kristall­züchtungs­anlage (HKZ) ist die ScIDre GmbH seit 2009 auf dem Markt und hat sich damit in wissenschaftlichen Instituten weltweit einen Namen gemacht. Die Maschine arbeitet nach dem optischen Zonen­schmelz­verfahren (optical floating zone). Dabei wird ein kleiner Teil einer stabförmigen Material­probe mit intensivem Licht aufgeschmolzen und aus der Schmelzzone heraus der Einkristall gezüchtet, während das Ausgangs­material kontinuierlich in die Schmelz­zone nachgeliefert wird. Die erforderliche Licht­energie liefert eine leistungsstarke Xenon-Kurzbogen­lampe und ermöglicht Schmelz­temperaturen von mehr als 3000 Grad Celsius.

Nun ist es den Forschern und Entwicklern bei ScIDre gelungen, den in ihren Anlagen bislang üblichen Gasdruck von 150 bar auf 300 bar zu steigern, ohne dabei Einbußen in der Präzision des Züchtungs­prozesses hinnehmen zu müssen – ein Weltrekord! Gemeinsam mit der Option, die Zusammen­setzung der Gasmischung frei variieren zu können, stößt dies das Tor zu einer neuen Welt der Material­synthese auf.

Initiiert wurde die Entwicklung der neuen Kristall­züchtungs­anlage von der Johns Hopkins University in Baltimore, USA. Gemeinsam mit den drei Universitäten Cornell, Clark Atlanta und Princeton gehört Johns Hopkins zu der Werkstoff­innovations­plattform PARADIM (Platform for the Accelerated Realization, Analysis and Discovery of Interface Materials). Die Synthese und Erforschung neuer Materialien, bei denen insbesondere die physikalischen Eigenschaften der Grenzflächen im Fokus stehen, ist das Ziel des mit 25 Millionen Dollar von NSF (National Science Foundation) geförderten Vorhabens.

„Für uns ist es eine große Freude“, so Robert Schöndube, Geschäftsführer der ScIDre GmbH in Dresden, „dass wir von den Spitzen­wissenschaftlern in den USA das Vertrauen zur Entwicklung der 300-bar-Version unserer HKZ erhalten haben.“ Einer von ihnen, Tyrel M. McQueen, verantwortlich in den Gebieten Chemie, Material­wissenschaft und Werkstoff­technik sowie Physik und Astronomie an der Johns Hopkins University, fasst seine Motivation zum Erwerb der neuen Anlage so zusammen: „Material­wissenschaft ist die Basis für so Vieles, was wir technologisch erreicht haben“, sagt er. „Unsere moderne Welt wäre zum Beispiel ohne die heute verfügbaren Werkstoffe der Mikro­elektronik nicht denkbar. So hängt die Entwicklung zukünftiger Technologien davon ab, bereits heute neue Materialien mit neuen Eigenschaften zu finden und zu verstehen“, so McQueen weiter. Die neue HKZ-Anlage ist jetzt auf der Reise in die USA und wird von den ScIDre-Mitarbeitern vor Ort am 25. Februar 2017 in Betrieb genommen.

IFW / DE

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