22.05.2017

Kristallografie für Nanopartikel

Absorptionsspektroskopie zur Strukturbestimmung und Beobachtung von Nanokristallen

Egal ob Optik, Elektronik oder Medizin – es gibt heute kaum noch einen Forschungsbereich, in dem nicht auch mit Nano­kristallen experimentiert wird. Immer wieder gelingt es Forschern aus den unterschiedlichsten Sparten, die speziellen Eigenschaften dieser neuartigen Materialien für ihre Zwecke einzusetzen. Die Methoden zur genauen und schnellen Charakterisierung der winzigen Kristalle hinken dieser Entwicklung allerdings noch nach und stellen in vielen Bereichen einen Flaschen­hals dar. Vor allem wenn es um in Lösung synthetisierte Nanokristalle geht, fehlen geeignete Verfahren zur Bestimmung der Struktur. Forscher der Universität von Illinois haben nun gezeigt, dass Absorptions­spektroskopie hier für Abhilfe sorgen kann.

Abb.: Absorptionsspektren von Zinkblende (ZB) und Wurtzit (WZ) Kristallen unterschiedlicher Größe. E0 wandert für kleinere Kristalle zu höheren Energien. E1 verändert sich in Abhängigkeit der Größe nur leicht und kann zur Bestimmung der Kristallstruktur herangezogen werden. (Bild: S. J. Lim et al. / NPG)

Im Fokus der nun vorgestellten Studie stehen Halbleiter­materialien wie Kadmium­selenid (CdSe), die in zwei unterschiedlichen Kristall­strukturen auftreten können. Diese gehen zwar mit unterschiedlichen physikalischen und chemischen Eigenschaften einher, sind aber mit den üblichen Methoden nur schwer zu unterscheiden. Zum einen funktionieren Röntgen- bzw. Elektronen­beugung nicht an schwimmenden Partikeln. Zum anderen werden die Beugungs­muster immer unklarer, je kleiner die untersuchten Kristalle werden, weil die verringerte atomare Periodizität die Beugungs­peaks verbreitert. Auch für die Analyse der Morphologie per Elektronen­mikroskop gilt, dass Proben zunächst aus der Lösung entnommen und zum Teil aufwendig präpariert werden müssen. Das erschwert die Kontrolle über die Synthetisierung und bremst den Herstellungsprozess.

Kadmiumselenid kann in zwei unterschiedlichen kristallinen Phasen auftreten: Zinkblende oder Wurtzit. Beide sind stabil und weisen zwischen unmittelbar benachbarten Atomen eine identische Tetraeder­struktur mit jeweils vier Cd-Se-Verbindungen pro Atom auf. Das Zinkblende­gitter besteht, ähnlich wie das von Steinsalz, aus zwei ineinander verschachtelten, kubischen Gittern. Allerdings unterscheiden sich die relativen Positionen der Gitter leicht, was bei Zinkblende, im Gegensatz zu Steinsalz, zu einer Tetraeder­struktur führt. Wären alle Atome von der gleichen Sorte, würde das einer gewöhnliche Diamant­struktur entsprechen. Wurtzit dagegen besteht aus zwei ineinander verschachtelten, dichten Kugelpackungen, die gemeinsam eine hexagonale Diamantstruktur bilden.

Die Ähnlichkeit zwischen den beiden Strukturen macht es vor allem für kleine Kristalle nahezu unmöglich, sie aufgrund von Beugungs­mustern zu unterscheiden. Ein schwerwiegendes Problem, wenn man bedenkt, dass es sich bei der kristallinen Phase um einen Schlüssel­parameter in der Herstellung handelt. Sie bestimmt sowohl die optischen Eigenschaften als auch die endgültige Form der Nano­kristalle. So neigen Zinkblende­phasen dazu, Nanokristalle in Form von Kugeln, Tetraedern oder Würfeln auszubilden, während die Wurtzitphase zu stäbchen- oder scheiben­förmigen Kristallen führt.

Die neue Methode der Forschergruppe um Andrew M. Smith sollte es nun jedoch ermöglichen, die Phase schon während der Entstehung zu bestimmen und das weitere Wachstum der Nano­kristalle zu beobachten. Dazu haben sie in den Absorptions­spektren, die von den noch in Lösung befindlichen Kristallen aufgenommen werden können, zwei charakteristische Peaks identifiziert: einen Übergang an der Bandkante (E0), dessen genaue Position Rückschlüsse auf die Große und Konzentration der Kristalle zulässt und einen weiteren bei höheren Energien (E1), aus dem die kristalline Phase bestimmt werden kann.

„Unsere Methode kann nicht nur teure und langsame Röntgen­untersuchungen ersetzen. Es sind auch keine großen Mengen an Material mehr nötig, die aufwändig gereinigt werden müssen“, sagt Smith. „Unsere theoretischen und experimentellen Ergebnisse erlauben eine einfache und genaue Analyse von in Lösung befindlichen Nano­materialien. Wir glauben, dass das zu höherer Präzision in der Herstellung und zu einem besseren Verständnis der Reaktionen von Nano­kristallen führen kann.“ Wie die Forscher betonen, funktioniert ihr Verfahren auch bei sehr kleinen Partikeln mit Durchmessern um die zwei Nanometer, die aus nur wenigen Hundert Atomen bestehen.

Neben verschiedenen Experimenten zu Identifizierung der charakteristischen Peaks demonstrierten die Forscher in ihrer Studie auch die Beobachtung chemischer Reaktionen in Echtzeit. Dazu setzten sie CdSe-Kristalle einem foto­chemischen Ätzprozess aus, der sie von drei auf zwei Nanometer schrumpfen ließ. Dabei beobachteten sie die Positionen der charakteristischen Peaks in den Spektren. Während E0 zu einer um 0,4 eV höheren Energie wanderte und damit die Veränderung in der Größe widerspiegelte, blieb E1 nahezu an der gleichen Position – ein Hinweis darauf, dass sich die Kristall­struktur während des Ätzens nicht ändert.

Thomas Brandstetter

DE

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