25.06.2020

Kristallstruktur mit Licht schalten

Antiferromagnete mit Terahertz-Lichtpulsen in neuen magnetischen Zustand gebracht.

Magnetische Materialien spielen in der Computertechnik eine zentrale Rolle, da sie Informationen in ihrem magnetischen Zustand dauerhaft speichern. Jetzige Technologien nutzen Ferro­magneten, deren Zustände sich durch Magnetfelder leicht umschalten lassen. Eine andere Materialklasse, die Antiferro­magnete, ermöglicht schnellere, dichtere und robustere Geräte der nächsten Generation. Allerdings sind ihre magnetischen Zustände notorisch schwer zu kontrollieren. 
 

Abb.: Der Antiferro­magnet verwandelt sich unter optischer Anregung in einen...
Abb.: Der Antiferro­magnet verwandelt sich unter optischer Anregung in einen Ferri­magneten. Terahertz-Lichtpulse bewirken Veränderungen der Kristall­struktur und so einen neuen magnetischen Zustand. (Bild: J. Harms / MPSD)

Die Stärke und Richtung des Nordpols eines Magneten wird durch seine Magnetisierung gekennzeichnet. Bei Ferromagneten kann diese leicht umkehrbare Magnetisierung ein Informations-Bit darstellen, weswegen sie ein verlässliches Material für magnetbasierte Technologien sind. Ferromagnete haben jedoch eine relative langsame Betriebs­geschwindigkeit und reagieren zudem auf magnetische Streufelder. Diese Eigenschaften machen sie fehleranfällig und bedeuten, dass sie nicht dicht gepackt werden können.

Antiferromagnete sind daher eine spannende Alternative. Im Gegensatz zu Ferro­magneten haben sie keine makroskopische Magnetisierung, da sie aus abwechselnd nach oben und unten weisenden magnetischen Momenten bestehen – wie Stabmagnete von atomarer Größe, die ihre Richtung von einem Atom zum nächsten umkehren. Sie werden nicht stark von Magnetfeldern beeinflusst, was sie robust für die Informations­speicherung macht und es ermöglicht, sie auf viel kleinere Größen zu skalieren. Darüber hinaus könnten sie mit Frequenzen bis zu mehreren Terahertz schneller reagieren als heutige Geräte. Die Heraus­forderung für Forscher besteht nun darin, Methoden zu finden, um den magnetischen Zustand eines Antiferro­magneten zuverlässig zu verändern.

Ein Team vom Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie (MPSD) und der Universität Oxford entschied sich für einen neuartigen Ansatz. Die Forscher untersuchten, wie die Kristall­struktur eines Antiferro­magneten seinen magnetischen Zustand beeinflusst. Sie machten sich den Piezo­magnetismus zunutze: Die Eigenschaft einiger Antiferro­magneten, bei der eine Änderung der Atom­struktur zur Magnetisierung führt – genau wie bei einem Ferro­magneten. Meist wird diese Veränderung durch die Anwendung eines einachsigen Drucks ausgelöst. Dies ist allerdings ein langsamer Prozess, der den Kristall zerbrechen kann. 

Stattdessen verwendete das Team Lichtpulse, um den piezo­magnetischen Effekt in CoF2 zu steuern. Diese Methode, die 2011 von der Gruppe am Center for Free-Electron Laser Science in Hamburg entwickelt wurde, basiert auf der Anregung von Gitter­schwingungen mit sorgfältig zugeschnittenen Lichtpulsen. Durch die genaue Abstimmung der Frequenz und Polarisation der Lichtpulse werden dieselben strukturellen Verzerrungen ausgelöst, die zum Piezo­magnetismus führen, ohne jedoch den Kristall mechanisch belasten zu müssen. Dies ist eine experimentelle Idee, die Paolo Radaelli von der Universität Oxford während seines Besuchs am MPSD im Jahr 2018 vorschlug.

Mit dieser innovativen Technik gelang es den Forschern, eine 400 Mal größere Magnetisierung zu erzeugen, als es bislang möglich war. Bemerkenswerter­weise dauerte es nur etwa 100 Pikosekunden, bis sich die Magnetisierung entwickelte und die Richtung der Magnetisierung durch die geänderte Polarisation des Lichts umgekehrt werden konnte. Diese Ergebnisse stellen einen großen Fortschritt in der optischen Kontrolle der Material­eigenschaften dar.

Hauptautor Ankit Disa sagt: „Dieses Experiment war die erste Demonstration der rationalen oder absichtlichen Modifikation einer Kristall­struktur durch die Anwendung von Licht. Wir wussten, welche Art von struktureller Verzerrung erforderlich war, um einen Phasen­übergang von einem Antiferro­magneten zu einem Ferromagnet-ähnlichen Zustand zu schaffen. Der Trick bestand darin, zu verstehen, wie man mit Licht das Material in diese neue Kristall­struktur treiben kann.“

Andrea Cavalleri, der das experimentelle Team am MPSD leitete und im Exzellenz­cluster CUI : Advanced Imaging of Matter forscht, sieht enormes Potenzial in der Verwendung von Licht zur Steuerung solcher Material­eigenschaften: „Diese Technik könnte zu opto­magnetischen Schaltern führen, um zum Beispiel Speicher herzustellen, die mit Licht geschrieben und gelesen werden können. Noch grund­legender ist, dass wir jetzt über die Werkzeuge und das Verständnis verfügen, um die Struktur von Materialien auf atomarer Ebene optisch zu konstruieren. Dadurch können wir die Funktionalitäten verschiedenster Systeme manipulieren - von Magneten und Ferro­elektrika bis hin zu Supraleitern.“

MPSD / DE
 

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