Kühlender Stoff aus Akkumembranen
Nanoporöses Gewebematerial aus Polyethylen ist durchlässig für Feuchtigkeit und Infrarotstrahlung.
In warmen Regionen kühlen Klimaanlagen Büroräume auf 20° bis 22°C ab. Wenn die Temperatur nur um wenige Grad höher läge, könnte der Stromverbrauch um ein gutes Drittel reduziert werden. Dieses Ziel haben kalifornische Materialforscher mit einem neuen Textilgewebe im Blick, das sie aus undurchsichtigen und nanoporösen Polyethylen-Folien entwickelt haben. Erste Versuche bestätigten, dass ihr passiv kühlender Stoff im Unterschied zu herkömmlichen Textilien nur einen kleinen Teil der Wärmestrahlung, die der menschliche Körper permanent abgibt, blockiert.
Abb.: Passiv kühlender Stoff aus nanoporöser Polyethylenfolie für funktionelle Kleidung. (Bild: Yi Cui et al, Stanford Univ.)
„40 bis 60 Prozent unserer Körperwärme wird über Infrarotstrahlung abgegeben, wenn wir in einem Büro sitzen“, sagt Shanhui Fan von der Stanford University. Mit seinen Kollegen entwickelte er daher einen passiv kühlenden Stoff, durch den Infrarotstrahlung transmittiert, aber der sichtbares Licht fast vollständig blockiert. Für sein neuartiges Gewebe griffen die Forscher zu einer nanoporösen Polyethylenfolie, die als Membran in Lithiumionen-Akkus bereits genutzt wird. Die Porengröße variierte zwischen 50 und 1000 Nanometer. Wärmestrahlung konnte sie zu 95 Prozent durchdringen. Sichtbares Licht wurde dagegen an den Poren effizient gestreut, wodurch die Folie anders als handelsübliche Frischhaltefolie aus dem gleichen Material mattweiß erschien und nahezu völlig undurchsichtig wurde.
Diese nanoporöse Kunststoffmembran durchlöcherten Fan und Kollegen zusätzlich mit zahlreichen Mikronadeln und beschichteten es danach mit der hydrophilen Substanz Polydopamin. Nach dieser Behandlung konnte Feuchtigkeit die Folie durch die mit bloßem Auge nicht sichtbaren Mikrolöcher problemlos passieren. Um diese Kühlfolie nun in einen tragbaren Stoff zu verwandeln, pressten die Forscher ein grobes Stützgewebe aus Baumwolle zwischen zwei nanoporösen Polyethylen-Folien. Nach dieser Laminierung entstand ein Textilgewebe, das in Dicke und Stabilität mit einem dünnen Stoff aus reiner Baumwolle vergleichbar war.
Mit einer kleinen Wärmeplatte simulierten die Wissenschaftler die Infrarotabstrahlung der menschlichen Haut und konnten die passiv kühlenden Eigenschaften ihres neuen Gewebes analysieren. Trotz des grobmaschigen, stützenden Baumwollnetzwerks drang immer noch knapp 80 Prozent der Wärmestrahlung hindurch. Sichtbares Licht wurde blockiert. Verantwortlich für die guten Transmissionseigenschaften von Polyethylen waren die aliphatischen C-C- und die C-H-Bindungen. Diese verursachten nur sehr schmalbandige Absorptionsmaxima bei fünf Wellenlängen zwischen 3,4 und 13,7 µm. Sonst war das Material für Infrarotstrahlung im Spektralbereich zwischen 7 und 14 µm transparent.
Abb.: Kühlgewebe unter dem Mikroskop: Der nanoporöse Aufbau lässt Wärmestrahlung problemlos passieren. (Bild: Yi Cui et al, Stanford Univ.)
Ein gleich dicker Baumwollstoff dagegen blockierte fast die komplette Wärmestrahlung. Der Grund dafür lag in den zahlreichen Schwingungsmoden der vorliegenden C-O-, C-N-, S=O- und aromatischen C-H-Bindungen. Wer nun ein Hemd aus diesem Kühlgewebe statt aus Baumwolle trüge, könnte um etwa zwei Grad höhere Raumtemperaturen aushalten, ohne ins Schwitzen zu kommen. Die Leistung zahlreicher Klimaanlagen ließe sich dadurch drosseln.
Die Forscher können sich nun vorstellen, dass aus ihrem kühlenden Stoff schon bald Kleidungsstücke oder auch Campingzelte geschneidert werden. Zuvor müsste jedoch eine ausreichende Stabilität erreicht werden, um zahlreiche Waschgänge ungeschadet zu überstehen. Zusätzlich müssten noch Farbstoffe identifiziert werden, die die Transmissionseigenschaften für Infrarotstrahlung möglichst wenig beeinflussen. Färbende Eisenoxide und Preußisch-Blau könnten dazu geeignet sein. Die Kosten dieses kühlenden Stoffes könnten sich dabei auch in Grenzen halten, da die nanoporöse Polyethylen-Membranen derzeit für etwa zwei US-Dollar pro Quadratmeter erhältlich sind.
Jan Oliver Löfken
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