02.09.2016

Kühlender Stoff aus Akkumembranen

Nanoporöses Gewebematerial aus Polyethylen ist durchlässig für Feuchtigkeit und Infrarotstrahlung.

In warmen Regionen kühlen Klima­anlagen Büroräume auf 20° bis 22°C ab. Wenn die Temperatur nur um wenige Grad höher läge, könnte der Stromv­erbrauch um ein gutes Drittel reduziert werden. Dieses Ziel haben kali­fornische Material­forscher mit einem neuen Textil­gewebe im Blick, das sie aus undurch­sichtigen und nano­porösen Poly­ethylen-Folien entwickelt haben. Erste Versuche bestätigten, dass ihr passiv kühlender Stoff im Unterschied zu herkömm­lichen Texti­lien nur einen kleinen Teil der Wärme­strahlung, die der mensch­liche Körper permanent abgibt, blockiert.

Abb.: Passiv kühlender Stoff aus nanoporöser Polyethylenfolie für funktionelle Kleidung. (Bild: Yi Cui et al, Stanford Univ.)

„40 bis 60 Prozent unserer Körper­wärme wird über Infrarot­strahlung abgegeben, wenn wir in einem Büro sitzen“, sagt Shanhui Fan von der Stanford University. Mit seinen Kollegen entwickelte er daher einen passiv kühlenden Stoff, durch den Infrarot­strahlung trans­mittiert, aber der sicht­bares Licht fast vollständig blockiert. Für sein neu­artiges Gewebe griffen die Forscher zu einer nano­porösen Polyethylen­folie, die als Membran in Lithiumionen-Akkus bereits genutzt wird. Die Porengröße variierte zwischen 50 und 1000 Nanometer. Wärme­strahlung konnte sie zu 95 Prozent durc­hdringen. Sichtbares Licht wurde dagegen an den Poren effizient gestreut, wodurch die Folie anders als handels­übliche Frischhalte­folie aus dem gleichen Material mattweiß erschien und nahezu völlig undurch­sichtig wurde.

Diese nano­poröse Kunststoff­membran durch­löcherten Fan und Kollegen zusätzlich mit zahl­reichen Mikro­nadeln und beschichteten es danach mit der hydrophilen Substanz Poly­dopamin. Nach dieser Behandlung konnte Feuchtig­keit die Folie durch die mit bloßem Auge nicht sichtbaren Mikro­löcher problemlos passieren. Um diese Kühlfolie nun in einen tragbaren Stoff zu verwandeln, pressten die Forscher ein grobes Stütz­gewebe aus Baumwolle zwischen zwei nano­porösen Poly­ethylen-Folien. Nach dieser Laminierung entstand ein Textil­gewebe, das in Dicke und Stabi­lität mit einem dünnen Stoff aus reiner Baumwolle vergleichbar war.

Mit einer kleinen Wärmeplatte simulierten die Wissen­schaftler die Infrarot­abstrahlung der menschlichen Haut und konnten die passiv kühlenden Eigen­schaften ihres neuen Gewebes analysieren. Trotz des grob­maschigen, stützenden Baumwoll­netzwerks drang immer noch knapp 80 Prozent der Wärme­strahlung hindurch. Sichtbares Licht wurde blockiert. Verant­wortlich für die guten Trans­missionseigen­schaften von Poly­ethylen waren die aliphatischen C-C- und die C-H-Bindungen. Diese verursachten nur sehr schmal­bandige Absorptions­maxima bei fünf Wellenlängen zwischen 3,4 und 13,7 µm. Sonst war das Material für Infrarot­strahlung im Spektralbereich zwischen 7 und 14 µm transparent.

Abb.: Kühlgewebe unter dem Mikroskop: Der nanoporöse Aufbau lässt Wärmestrahlung problemlos passieren. (Bild: Yi Cui et al, Stanford Univ.)

Ein gleich dicker Baumwoll­stoff dagegen blockierte fast die komplette Wärme­strahlung. Der Grund dafür lag in den zahl­reichen Schwingungs­moden der vor­liegenden C-O-, C-N-, S=O- und aroma­tischen C-H-Bindungen. Wer nun ein Hemd aus diesem Kühlgewebe statt aus Baumwolle trüge, könnte um etwa zwei Grad höhere Raum­temperaturen aushalten, ohne ins Schwitzen zu kommen. Die Leistung zahlreicher Klima­anlagen ließe sich dadurch drosseln.

Die Forscher können sich nun vorstellen, dass aus ihrem kühlenden Stoff schon bald Kleidungs­stücke oder auch Camping­zelte geschneidert werden. Zuvor müsste jedoch eine aus­reichende Stabilität erreicht werden, um zahlreiche Wasch­gänge ungeschadet zu überstehen. Zusätzlich müssten noch Farbstoffe identi­fiziert werden, die die Trans­missionseigen­schaften für Infrarot­strahlung möglichst wenig beein­flussen. Färbende Eisen­oxide und Preußisch-Blau könnten dazu geeignet sein. Die Kosten dieses kühlenden Stoffes könnten sich dabei auch in Grenzen halten, da die nano­poröse Poly­ethylen-Membranen derzeit für etwa zwei US-Dollar pro Quadrat­meter erhältlich sind.

Jan Oliver Löfken

JOL

Weiterbildung

Weiterbildungen im Bereich Quantentechnologie
TUM INSTITUTE FOR LIFELONG LEARNING

Weiterbildungen im Bereich Quantentechnologie

Vom eintägigen Überblickskurs bis hin zum Deep Dive in die Technologie: für Fach- & Führungskräfte unterschiedlichster Branchen.

EnergyViews

EnergyViews
Dossier

EnergyViews

Die neuesten Meldungen zu Energieforschung und -technologie von pro-physik.de und Physik in unserer Zeit.

Meist gelesen

Themen