Künstliche Zellen aus Hydrophobinen
Erstmals Kugeln mit Doppelmembran aus natürlichen Proteinen entwickelt.
Die Forscher der Universität des Saarlandes um Karin Jacobs hatten eigentlich etwas ganz anderes im Sinn. Ursprünglich wollten sie die Eigenschaften bestimmter natürlich vorkommender Proteine erforschen und beschreiben. „Uns fiel auf, dass diese Hydrophobine Kolonien bilden, wenn man sie in Wasser gibt. Sie ordnen sich sofort dicht an dicht an den Grenzflächen zwischen Wasser und Glas oder zwischen Wasser und Luft an“, sagt Jacobs. „Zwischen den einzelnen Hydrophobinen muss also eine Anziehungskraft herrschen, sonst würden sie sich nicht zu Kolonien zusammenfinden.“ Aber wie stark diese Kraft ist, wussten sie und ihre Mitarbeiter nicht.
Abb.: Hydrophobine sind eine Familie natürlich vorkommender Proteine mit einem wasserliebenden (blau) und einem wasserabstoßenden Teil (rot; Bild: U. Saarland).
An dieser Stelle kam Ralf Seemann ins Spiel. Sein Team beschäftigt sich mit Vorgängen, die sich an den Grenzflächen zweier Flüssigkeiten abspielen. Die Forscher haben nun, genau wie an einer Straßenkreuzung mit vier Einmündungen, in einer winzigen Versuchsanordnung einen Ölstrom quer über die Kreuzung geschickt. Von den anderen beiden Einmündungen aus ließen sie nun „Wasserfinger“, in denen sich die Hydrophobine ganz vorne anordneten – sie streben ja immer an die Grenzfläche des Mediums, in dem sie schwimmen – in diese Kreuzung hineinragen. Die Forscher drückten diese Finger stetig weiter aufeinander zu, um zu sehen, ab welchem Zeitpunkt die Anziehungskraft wirkt. „Irgendwann schnappen die beiden Wasserfinger dann zusammen und bildeten eine einzige stabile Grenzfläche aus zwei Lagen“, sagt Seemann. „Das Verrückte dabei ist: Es funktioniert auch anders herum, also mit Ölfingern, die einen Wasserstrom unterbrechen“, erklärt der Forscher. Das sei neuartig, denn bei anderen Molekülen funktioniert das nur in einem der beiden Szenarien. Ursache für dieses Verhalten ist, dass sich die Proteine normalerweise entweder mit ihrer wasserliebenden, der hydrophilen Seite, an ein wässriges Medium anheften, oder mit ihrer hydrophoben Seite an einem öligen Medium. Dass eine Sorte von Molekülen in beiden Umgebungen gleichzeitig stabile Doppellagen bildet, ist neu.
Von dieser Erkenntnis angetrieben, wollten die Forscher in einem dritten Experimentierschritt dann herausfinden, ob sich die stabile Doppellage zu einer Art Transporttasche, einem Vesikel, formen lässt. Ähnlich wie eine Seifenblase haben sie dazu die stabile Doppelmembran aufgeblasen, allerdings mit Flüssigkeit, nicht mit Luft. Es funktionierte: Die zellartige Kugel mit der Doppelmembran aus natürlichen Proteinen blieb stabil. „Das hat bisher noch niemand gemacht“, freut sich Jean-
In einem weiteren Schritt haben die Wissenschaftler nachgewiesen, dass sich in diese Vesikel auch Ionenkanäle einlagern lassen, die geladene Teilchen durch die Doppellage aus Hydrophobinen transportieren können, genau wie bei einer natürlichen Zellwand, die aus einer Doppellage aus Lipidmolekülen besteht. Dadurch haben die Forscher die Grundlage für weitere Arbeiten gelegt, zum Beispiel für einen zielgenaueren Wirkstofftransport. Man könnte in solchen Vesikeln zum Beispiel wasserlösliche Moleküle durch eine wässrige Umgebung hindurch transportieren und öllösliche durch eine ölige Umgebung.
UdS / RK