15.01.2025

Küstenlinie der Insel der Stabilität enthüllt

Messungen zeigen: Rutherfordium-252-ist der kurzlebigste bekannte superschwere Kern.

Einem Forschungsteam des GSI/FAIR, der Uni Mainz und des Helmholtz-Instituts Mainz ist es gelungen, die Grenzen der Insel der Stabilität innerhalb der superschweren Nuklide durch die Messung des superschweren Rutherfordium-252-Kerns genauer auszuloten, welcher dadurch als kurzlebigster bekannter superschwerer Kern bestimmt werden konnte.

Abb.: Meer der Instabilität
Abb.: Im Meer der Instabilität findet die Spaltung auf einer Zeitskala von weniger als 10 hoch minus 14 Sekunden statt und kein Atom und somit kein Element kann existieren. Das extrem kurzlebige Rf-252 mit einer Halbwertszeit von sechzig Nanosekunden wurde dank eines isomeren Zustands – schwebend in der Stabilitätswolke – mit einer Halbwertszeit von dreizehn Mikrosekunden, also mehr als zweihundertmal länger als der Grundzustand, erzeugt und zum Detektionssystem geleitet.
Quelle: P. Mosat & K. Jadambaa / GSI

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Die starke Kraft sorgt in den aus Protonen und Neutronen bestehenden Atomkernen für Zusammenhalt. Da die positiv geladenen Protonen sich gegenseitig abstoßen, drohen Kerne mit zu vielen Protonen jedoch zu spalten – eine Herausforderung bei der Herstellung von neuen, superschweren Elementen. Bestimmte Kombinationen aus Protonen und Neutronen, die „magischen Zahlen“, verleihen Kernen zusätzliche Stabilität. Theoretische Arbeiten unter Berücksichtigung dieser magischen Kombinationen sagten bereits in den 1960er Jahren eine Insel der Stabilität im Meer der instabilen superschweren Kerne theoretisch voraus, auf der sehr lange Lebensdauern erreicht werden könnten, die sich sogar dem Alter der Erde annähern.

Das Konzept dieser Insel wurde inzwischen durch die Beobachtung zunehmender Halbwertszeiten in den schwersten derzeit bekannten Kernen bestätigt, wenn man sich der vorhergesagten nächsten magischen Zahl von 184 Neutronen nähert. Die Lage des Gipfels dieser Insel, ihre Höhe, die die maximal zu erwartende Halbwertszeit widerspiegelt, und auch ihre Ausdehnung sind jedoch noch unbekannt.

Das Team ist jetzt der Kartierung der Insel einen Schritt näher gekommen, indem sie den kurzlebigsten bisher bekannten superschweren Kern entdeckten, der die Position der Küstenlinie der Insel in Kernen von Rutherfordium markiert. Um einen experimentellen Nachweis zu ermöglichen, muss ein superschwerer Kern eine Mindestlebensdauer in der Größenordnung von einer Millionstel Sekunde aufweisen, was extrem kurzlebige superschwere Kerne in der Nähe des Meeres der Instabilität unzugänglich macht. Aber es gibt einen Trick: Durch Quanteneffekte stabilisierte, angeregte Zustände sind manchmal langlebiger und ermöglichen so Zugang zu den kurzlebigen Kernen.

„Solche langlebigen, angeregten Zustände, Isomere, sind meinen Berechnungen zufolge in superschweren Kernen mit deformierter Form weit verbreitet“, sagt Khuyagbaatar Jadambaar vom GSI. „Man kann somit das Bild der Stabilitätsinsel um Stabilitätswolken bereichern, die über dem Meer der Instabilität schweben.“ Dem Forschungsteam ist es geglückt, diese Vorhersagen zu überprüfen, indem sie nach dem bisher unbekannten Kern Rf-252 suchten.

Die Forscher nutzten einen intensiven Strahl aus Titan-50, der am UNILAC-Beschleuniger von GSI/FAIR zur Verfügung steht, um Titankerne mit Bleikernen zu fusionieren, die auf einer Target-Folie bereitgestellt wurden. Die Fusionsprodukte wurden im Transactinide Separator and Chemistry Apparatus TASCA getrennt. Nach einer Flugzeit von etwa 0,6 Mikrosekunden wurden sie in einen Siliziumdetektor implantiert. Dieser Detektor registrierte sowohl ihre Implantation als auch ihren anschließenden Zerfall.

Insgesamt wurden 27 durch Spaltung zerfallende Rf-252-Atome mit einer Halbwertszeit von 13 Mikrosekunden nachgewiesen. Dank des von der GSI/FAIR-Experimentierelektronik entwickelten schnellen digitalen Datenerfassungssystems konnten die nach der Implantation des Isomers Rf-252m emittierten und beim Zerfall in den Grundzustand freigesetzten Elektronen nachgewiesen werden. Es wurden drei solcher Fälle registriert. In allen Fällen kam es innerhalb von 250 Nanosekunden zu einer anschließenden Spaltung. Aus diesen Daten wurde eine Halbwertszeit von sechzig Nanosekunden für den Grundzustand von Rf-252 abgeleitet, der somit der kurzlebigste aktuell bekannte superschwere Kern ist.

„Das Ergebnis senkt die untere Grenze der bekannten Lebensdauern der schwersten Kerne um fast zwei Größenordnungen auf Zeiten, die für eine direkte Messung in Ermangelung geeigneter isomerer Zustände zu kurz sind. Die vorliegenden Ergebnisse setzen einen neuen Maßstab für die weitere Erforschung von Phänomenen, die mit solchen isomeren Zuständen, der umgekehrten Spaltstabilität, bei der angeregte Zustände stabiler sind als der Grundzustand, und der Isotopengrenze in den schwersten Kernen verbunden sind“, erläutert Christoph Düllmann, vom GSI.

In zukünftigen Experimenten ist die Messung isomerer Zustände mit umgekehrter Spaltstabilität im nächstschwereren Element Seaborgium angedacht, die für die Synthese von Sg-Isotopen mit Lebensdauern unter einer Mikrosekunde genutzt werden sollen, um die Isotopengrenze weiter zu kartieren. Das Ergebnis eröffnet auch neue Perspektiven für die internationale „Facility for Antiproton and Ion Research“ FAIR, die sich derzeit in Darmstadt im Bau befindet.

GSI / RK

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