26.01.2021 • Kernphysik

Zentrum der Insel der Stabilität liegt nicht bei Element 114

Schwerere Elemente rücken jetzt verstärkt ins Rampenlicht.

Einem internationalen Forschungs­team gelang es, an den Beschleuniger­anlagen des GSI-Helm­holtz­zentrums für Schwer­ionen­forschung in Darmstadt neue Erkenntnisse über das künstlich erzeugte super­schwere Element Flerovium – Element 114 – zu gewinnen. Unter Feder­führung der Universität Lund in Schweden und Beteiligung weiterer Partner wurde Flerovium erzeugt und daraufhin unter­sucht, ob es eine abge­schlossene Protonen­schale hat. Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass Flerovium entgegen der Erwartung kein „magischer Kern“ ist.

Abb.: Mittels eines Silizium­detek­tor­systems im Innern einer...
Abb.: Mittels eines Silizium­detek­tor­systems im Innern einer Vakuum­kammer, um­geben von neuen Germa­nium­detek­toren, wurden Energie und Zeit der Ankunft der Flero­vium­kerne sowie ihrer Zerfalls­pro­dukte re­gis­triert. (Bild: A. Såmark-Roth, U. Lund)

In den späten 1960er-Jahren formulierte unter anderem Sven-Gösta Nilsson von der Universität Lund eine Theorie über die mögliche Existenz noch unbekannter super­schwerer Elemente. Mittler­weile wurden solche Elemente erzeugt und viele Vorher­sagen bestätigt. Unter anderem gelang die Entdeckung der sechs neuen Elemente 107 bis 112 am GSI, weitere bis zu Element 118 sind bereits bekannt. Es wurde auch prognos­tiziert, dass eine „magische“ Kombi­nation von Protonen und Neutronen bei den super­schweren Elementen zu stark ansteigenden Halbwerts­zeiten führen sollte. Das tritt dann auf, wenn die jeweils eine gewisse Anzahl an Protonen und Neutronen fassenden Schalen im Atomkern komplett gefüllt sind.

„Auch für Flerovium, das Element 114, wurde eine solche abge­schlossene, magische Protonen­schalen­struktur vorher­gesagt“, erläutert Dirk Rudolph von der Universität Lund, der Sprecher des inter­natio­nalen Experi­ments. „Stimmte dies, läge Flerovium im Zentrum der Insel der Stabilität, einem Bereich der Nuklidkarte, in dem die super­schweren Elemente durch die Schalen­ab­schlüsse besonders hohe Lebens­dauern aufweisen müssten.“

Inspiriert von Nilssons Theorien unter­suchte die inter­nationale Kolla­bo­ration in Experi­menten, ob Flerovium-Kerne die vorher­gesagten magischen Eigen­schaften zeigen. Dazu wurden im Rahmen des FAIR-Phase-0-Experi­men­tier­programms während 18 Tagen jede Sekunde vier Billionen Calcium-48-Kerne mit zwanzig Protonen vom GSI-Linear­beschleu­niger UNILAC auf zehn Prozent der Licht­geschwindig­keit beschleunigt. Sie wurden auf eine dünne Folie mit Plutonium-244 mit 94 Protonen geschossen, um so durch Kern­ver­schmelzung Atomkerne des Fleroviums, das 114 Protonen besitzt, zu erzeugen. Starke Magnete des GSI-Rück­stoß­separators TASCA trennten die Flerovium-Kerne vom intensiven Calcium-Ionen­strahl ab, im Anschluss wurden sie in einer für dieses Experi­ment weiter­ent­wickelten Detektions­apparatur registriert.

Der Detektor vermaß den radio­aktiven Zerfall von dreißig Flerovium-Kernen – also das Austreten von Kern­bruch­stücken von Flerovium – mit hoher Effizienz und Genauig­keit. Durch präzise Analyse dieser Bruch­stücke und der Zeiten, inner­halb welcher sie emittiert wurden, gelang es dem Team, ungewöhn­liche Zerfalls­wege der Atomkerne des Fleroviums zu bestimmen, die nicht mit seinen ursprüng­lich vorher­gesagten magischen Eigen­schaften in Einklang zu bringen sind.

„Unsere Studie zeigt, dass Element 114 nicht stabiler ist als andere in seiner Nähe. Das ist ein sehr wichtiger Teil des Puzzles bei der weiteren Suche nach dem Zentrum der begehrten Insel der Stabilität“, sagt Christoph Düllmann von der Uni Mainz. Die neuen Ergebnisse werden der Wissen­schaft von großem Nutzen sein. Anstatt weiter im Bereich von Element 114 nach dem Zentrum der Insel der Stabilität zu suchen, werden nun noch schwerere Elemente, beispiels­weise das noch unent­deckte Element 120, verstärkt ins Rampen­licht rücken.

GSI / RK

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