Kugelsternhaufen: Neue Sterne durch Gas-Nachschub
Junge Kugelsternhaufen in den Magellanschen Wolken wachsen durch Gaszufuhr von außen.
Kugelsternhaufen sind sphärisch symmetrische Ansammlungen von einigen hunderttausend Sternen, die sich weiträumig durch den Halo ihrer Galaxie bewegen. Nach den Vorstellungen der Astronomen entsteht ein Kugelsternhaufen durch Kontraktion und Fragmentierung aus einer großen Molekülwolke – wobei sich alle Sterne relativ zeitnah bilden, also auch alle etwa gleich alt sein sollten. Das deckt sich gut mit den Beobachtungen: Aus dem Hertzsprung-
Abb.: Der junge Kugelsternhaufen NGC 1783 in der Großen Magellanschen Wolke, fotografiert vom Weltraumteleskop Hubble (Bild: NASA / ESA)
Doch in den vergangenen Jahren mehrten sich Anzeichen dafür, dass es ganz so einfach nicht ist – offenbar ist die Entwicklung der vermeintlich einfachen Sternenansammlungen komplexer als gedacht. Denn in vielen Haufen stießen Astronomen neben der ursprünglichen Sternenpopulation auf eine oder sogar mehrere weitere jüngere Generationen von Sternen. Die bislang weitgehend favorisierte Erklärung für weitere Sternentstehungsphasen in den Kugelsternhaufen sind kollidierende Sternwinde von Sternen aus dem asymptotischen Riesenast, sehr massereiche Sterne also, die sich schnell entwickelt und früh einen großen Teil ihrer Materie ins All geblasen haben. Doch dieses Szenario ist nicht ohne Probleme – viele Kugelsternhaufen haben eine zu geringe Masse, um eine ausreichende Zahl solcher Riesensterne zu produzieren.
Wie ist dieses Problem zu lösen? Aufschluss könnte, so überlegten sich Chengyuan Li und seine Kollegen, die Untersuchung jüngerer Kugelsternhaufen geben. Solche gibt es beispielsweise in den Magellanschen Wolken, Satelliten-Galaxien unserer Milchstraße. Mit dem Weltraumteleskop Hubble beobachtete das Team die Haufen NGC 1783 und 1696 in der Großen Magellanschen Wolke, sowie NGC 411 in der Kleinen Magellanschen Wolke. Trotz ihres astronomisch gesehen jungen Alters von ein bis zwei Milliarden Jahren zeigen zwei der Haufen eine weitere, einer sogar zwei weitere Sternengenerationen.
Aufgrund des geringen Alters kommen massereiche Sterne als Gaslieferant hier nicht infrage. Wie Li und seine Kollegen jedoch zeigen, können die Kugelsternhaufen bei ihrer Bewegung durch die Scheibe der jeweiligen Galaxie ausreichend Gas akkretieren, um weitere Phasen der Sternentstehung anzufeuern. Ob sich dieses Modell allerdings auch auf alte Kugelsternhaufen übertragen lässt, ist noch unklar. Antonella Nota vom Space Telescope Science Institute und Corinne Charbonnel von der Sternwarte Genf weisen beispielsweise darauf hin, dass die jungen Kugelsternhaufen von Satellitengalaxien möglicherweise durch andere Prozesse entstehen als die alten Kugelsternhaufen großer Galaxien.
Rainer Kayser
Weitere Infos
Weitere Beiträge
DE