28.06.2024

Kupfer sparen mit Mittelspannung

In Solarkraftwerken bieten höhere Systemspannungen ein enormes Sparpotenzial für Rohstoffe.

Für den Umbau des Energie­systems sind enorme Rohstoffen-Mengen nötig, etwa Kupfer und Aluminium für Leitungen zur Anbindung von erneuerbaren Erzeugern ans Netz. Ein vielver­sprechender Ansatz zur Einsparung von Rohstoffen ist, bei erneuerbarer Energie­produktion statt in der Niederspannungs- in der Mittel­spannungsebene zu agieren. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energie­systeme ISE in Freiburg sieht insbesondere bei Photovoltaik-Groß­kraftwerken ein enormes Einsparpotenzial durch höhere Systemspannungen. Das Institut plant erste Pilot-Kraftwerke und strebt gemeinsam mit der Industrie eine breite Markteinführung an. Zum Launch seines neuen Forschungs­leitthemas „Mittelspannung“ präsentierte das Institut ihren weltweit ersten Mittelspannungs-PV-Stringwechselrichter und einen Mittel­spannungs-Batterie­wechselrichter.

Abb.: Der weltweit erste PV-Stringwechselrichter im Bereich Mittelspannung.
Abb.: Der weltweit erste PV-Stringwechselrichter im Bereich Mittelspannung.
Quelle: Fh.-ISE

Bis 2050 wird weltweit ein Zubau von etwa 73 Terawatt allein an installierter Photovoltaik-Leistung nötig, was zu einer starken Nachfrage nach Rohstoffen führt: Laut „Global Critical Minerals Outlook 2024“ der Internationalen Energie-Agentur wird ab 2025 der Kupferbedarf das angekündigte Angebot übersteigen. „Eine Erhöhung der Systemspannung kann hier Abhilfe schaffen. Denn durch das damit verbundene gleichzeitige Absinken der Ströme können erhebliche Rohstoff­einsparungen erzielt werden“, sagt Andreas Hensel, Gruppenleiter „Hochleistungs­elektronik und Systemtechnik“. 

Eine Erhöhung der Ausgangs­spannung von 800 auf 1.500 Volt (VAC)  führt bei gleicher Leistung zu einer Einsparung beim Kabel­querschnitt um etwa 75 Prozent. Zudem sind die Verlegung und der Anschluss kleinerer Kabel­querschnitte deutlich einfacher und senken so die Installationskosten. „Nachdem die PV-Modulkosten seit 2010 durch techno­logischen Fortschritt und Skaleneffekte um neunzig Prozent gesunken sind, bieten Installation und Balance-of-System Komponenten nun die größten Einsparungshebel“, so Andreas Hensel.

Durch den Schritt aus der Nieder- in die Mittelspannung kann auch die Leistung der Subsysteme erhöht werden: bei einer Spannung von 1.500 Volt sind bereits zehn bis zwölf Megavoltampere (MVA) statt der heute üblichen drei bis fünf MVA in einem Transformator möglich. Bei gleicher Kraftwerks­größe resultiert daraus eine geringere Anzahl an Trans­formatoren und Schaltanlagen, was Bau- und Installations­kosten verringert.

er Schritt in die Mittelspannung (MS) wurde erst möglich durch die Entwicklung hochsperrender Silizium­karbid-(SiC)-Bauelemente mit hohen Schalt­geschwindigkeiten. Inzwischen sind SiC-Bauteile bis zu 3,3 Kilovolt marktverfügbar. Das Fraunhofer ISE hat 2023 im Projekt „MS-LeiKra“ den weltweit ersten MS-PV-Stringwechselrichter entwickelt und erfolgreich am Netz in Betrieb genommen. Der zweistufig aufgebaute Wechselrichter hat eine Ausgangsspannung von 1.500 VAC bei einer Leistung von 250 kVA. „Wir haben demonstriert, dass technologisch die Weichen für den Weg in die Mittelspannung gestellt sind. Wir sind überzeugt davon, dass es aufgrund des enormen Material­bedarfes nicht mehr darum geht, ob die Technologie Einzug halten wird, sondern wer die ersten Akteure an diesem aussichtsreichen Markt sind“, sagt Christian Schöner, Projektleiter „Mittelspannung“. Eine erste Photovoltaik-Pilotanlage auf Basis des MS-PV-Stringwechsel­richters ist aktuell in Planung.

Fh.-ISE / JOL

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