24.08.2006

Land in Sicht

Einem internationalen Forscherteam ist es gelungen, einen indirekten Blick auf die Insel der stabilen Atomkerne zu werfen.

 

Einem internationalen Forscherteam ist es gelungen, einen indirekten Blick auf die Insel der Stabilität der Kernphysik zu werfen. Darunter versteht man den Bereich in der Nuklidkarte, in dem superschwere Atomkerne relativ stabil sind - inmitten eines Meeres instabiler, also rasch zerfallender Atomkerne. Denn je mehr Nukleonen Atomkerne enthalten, desto schneller zerfallen sie normalerweise. Bislang ist es nicht gelungen, diese Insel experimentell - durch die künstliche Erzeugung superschwerer Atomkerne - zu erreichen. Wie die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“ berichten, gelang es ihnen nun jedoch erstmals, angeregte Zustände des schweren Elements 254 Nobelium genau zu untersuchen. Auf diese Weise lassen sich die kernphysikalischen Modelle testen - und so künftig bessere Vorhersagen über die genaue Lage der Insel der Stabilität machen.

Die schwersten im Experiment erzeugten Atomkerne besitzen derzeit 118 Protonen. Zwar sagen einige Modelle voraus, dass die Insel der Stabilität bei einer Protonenzahl von 114 liegt - aber bei einer Neutronenzahl von 184. Davon sind die Experimente noch um acht bis zehn Neutronen entfernt. Die genaue Lage dieser Stabilitätsinsel hängt aber von Einzelheiten der Theorien ab, die bislang nicht überprüft werden konnten: Die Stabilitätszone könnte auch bei 120, 124 oder 126 Protonen liegen - oder überhaupt nicht existieren. Hier nun bringen die Experimente von Rolf-Dietmar Herzberg von der University of Liverpool und Kollegen die Physiker einen großen Schritt voran.

Abb.: Nuklidkarte der schweren Atomkerne. Bei Z=114 und N=184 könnte eine Insel der Stabilität inmitten der instabilen Atomkerne liegen. (Quelle: Nature/JINR)

„Unsere Messungen liefern einen mikroskopischen Fixpunkt für die nukleare Modelle der superschweren Elemente“, heben die Forscher die Bedeutung ihrer Arbeit hervor, an der auch Wissenschaftler der Gesellschaft für Schwerionenforschung (GSI) in Darmstadt beteiligt waren. Nobelium ist das Element 102, sein Isotop 254 Nobelium enthält also 152 Neutronen. Durch den Beschuss eines Bleitargets mit Kalziumatomen konnten Herzberg und Kollegen pro Stunde 200 Nobelium-Kerne dieses Isotops herstellen und deren Zerfall beobachten.

Ein Teil der von ihnen erzeugten Nobelium-Kerne befand sich in energetisch angeregten Zuständen. Die genauen Energien dieser Zustände werden von den kernphysikalischen Theorien vorhergesagt und hängen also von den Details der verwendeten Theorie ab. Die genaue Untersuchung des Zerfalls dieser angeregten Zustände eröffnet daher einen Weg für Vergleich mit den Vorhersagen der theoretischen Modelle.

Die angeregten Zustände des 254 Nobelium-Kerns zerfallen durch die Emission von Gamma- und Röntgenstrahlen, sowie Elektronen. Nach Erreichen des Grundzustands zerfällt dieser schließlich durch Aussendung eines Alpha-Teilchens in einen leichteren Kern. Anhand der zeitlichen und energetischen Verteilung der ausgesendeten Strahlung konnten Herzberg und seine Kollegen die Lebensdauer und die Energieniveaus der angeregten Zustände des 254 Nobelium-Kerns rekonstruieren. Einen der Zustände identifizieren die Forscher beispielsweise mit der Anregung zweier Protonen in einem Schalenmodell des Kerns.

„Die von uns untersuchten Zustände sind die bislang besten Tests für die Vorhersagen von Modellen deformierter Kerne in der Region um eine Kernladungszahl von 100“, so die Forscher. Damit, so kommentiert Mark A. Stoyer von den Lawrence Livermore National Laboratories in einem begleitenden Artikel, sei den Forschern zwar ein erster Blick aus der Ferne auf die Insel der Stabilität geglückt. Doch um die genaue Lage der Insel der Stabilität zu bestimmen, wären weitere Messungen an den zu 254 Nobelium benachbarten Isotopen nötig - und die sind leider weitaus schwieriger herzustellen.

Rainer Kayser

Weitere Infos:

Weitere Literatur:

  • M. Bender et al., Shell stabilization of super- and hyperheavy nuclei without magic gaps, Phys. Lett. B 515, 42 (2001).
  • M. Bender et al., Shell structure of superheavy nuclei in self-consistent mean field models, Phys. Rev. C 60, 034304 (1999).
  • M. Leino und F.P. Hessberger, The nuclear structure of heavy-actinide and transactinide nuclei, Annu. Rev. Nucl. Part. Sci. 54, 175 (2004).
  • F.R. Xu et al., Enhanced stability of superheavy nuclei due to high-spin isomerism, Phys. Rev. Lett. 92, 252501 (2004).

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