Langlebiger Mond-Dynamo
Gesteinsprobe von Apollo 15 liefert neuen Einblick in die Entwicklung des lunaren Magnetfelds.
Der Mond besaß in seiner Frühzeit ein globales Magnetfeld mit einer Stärke von 20 bis 110 Mikrotesla. Das zeigen Untersuchungen von Gesteinsproben, die im Rahmen der Apollo-
Nach seiner Entstehung vor vier Milliarden Jahren kreiste der Mond zunächst auf einer viel engeren Bahn um die Erde. Die damit verbundenen starken Gezeitenkräfte könnten damals den flüssigen Kern des Mondes in Bewegung gesetzt und so für einen Dynamo-Effekt und die Entstehung des globalen Magnetfelds gesorgt haben. Die Gezeitenreibung führte jedoch gleichzeitig auch zu einer Migration des Mondes nach außen. Vor 3,6 Milliarden Jahren waren dann die Gezeitenkräfte nicht mehr stark genug, um den Dynamo in dieser Form aufrecht zu erhalten. Zeitgleich endete auch die Epoche des lunaren Vulkanismus und damit trat kaum noch Gestein aus dem Inneren des Erdtrabanten an die Oberfläche.
Und das ist ein Problem für die Mondforscher: Es gibt kaum Gesteinsproben, die jünger als drei Milliarden Jahre sind. Das Mondgestein enthält eine Vielzahl winziger Metallpartikel, in denen gewissermaßen das Magnetfeld zur Zeit der Entstehung des Gesteins – also seiner Erstarrung – eingefroren ist. Doch bislang ließ sich so nur die Entwicklung des lunaren Magnetfelds bis vor drei Milliarden Jahren rekonstruieren. Jetzt jedoch gelang es Forschern um Sonia Tikoo vom Massachusetts Institute of Technology in den USA, die Geschichte des Mond-Dynamos um mindestens eine Milliarde Jahre weiter zu verfolgen.
Tikoo und ihre Kollegen analysierten die Probe 15498 der Apollo 15 Mission, in deren Verlauf die Astronauten Dave Scott und Jim Irwin 1971 zwei Tage auf dem Mond verbrachten. Das Gestein stammt vom südlichen Rand des Kraters Dune und zeigt sich als Gemisch von Mineralien und Gesteinskörnchen, eingebettet in eine glasartige Matrix. Das Team bestimmte das Alter der Probe zu 1,0 bis 2,5 Milliarden Jahren – damit ist sie deutlich jünger als früher untersuchte Gesteinsproben. Das Gestein ist offenbar nicht vulkanischen Ursprungs, sondern durch einen Asteroideneinschlag auf dem Mond entstanden. Die Energie des Einschlags hat das Gestein geschmolzen und beim Wieder-Erstarren hat es – genau wie bei den vulkanischen Gesteinen – das damals herrschende lunare Magnetfeld in seinem Inneren eingefroren.
Tikoo und ihren Kollegen gelang es, mit ausgefeilten Experimenten die Stärke des Magnetfelds zur Entstehungszeit der Probe 15498 zu etwa fünf Mikrotesla zu bestimmen. Das ist zwar zehnmal schwächer als das heutige Magnetfeld der Erde, aber immer noch tausend Mal stärker als das interplanetarische Magnetfeld im Sonnensystem. Zumindest bis vor 2,5 Milliarden Jahren – vielleicht sogar noch erheblich länger – besaß der Erdtrabant also noch ein wenn auch schwaches, aber doch signifikantes globales Magnetfeld. Die Forscher vermuten, dass im Inneren des Mondes heiße Materie aufgestiegen und kalte Materie abgesunken ist – ganz ähnlich wie in einer Lavalampe. „Wir nehmen heute an, dass so der Dynamo der Erde funktioniert“, erläutert Tikoos Kollege Benjamin Weiss, „warum soll es also nicht auch beim Mond so gewesen sein.“ Das Team hofft nun, noch jüngere Gesteinsproben zu finden, um zu untersuchen, wie lange dieser Dynamoeffekt aktiv war. „Denn heute hat der Mond kein Magnetfeld mehr“, stellt Weiss fest, „der Dynamo muss sich also irgendwann ganz abgeschaltet haben.“
Rainer Kayser
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
S. M. Tikoo et al.: Identification of a primordial asteroid family constrains
the original planetesimal population, Sc. Adv., online 9. August 2017; DOI: 10.1126/sciadv.1700207 - Department of Earth, Atmospheric and Planetary Sciences, Massachusetts Institute of Technology, Cambridge, USA
- Apollo-Missionen, Nasa
Weitere Beiträge
- C. Cournède, J. Gattacceca & P. Rochette: Magnetic study of large Apollo samples: Possible evidence for an ancient centered dipolar field on the Moon, Earth Planet. Sci. Lett. 331, 31 (2012); DOI: 10.1016/j.epsl.2012.03.004
- I. Garrick-Bethell et al.: Early lunar magnetism, Science 323, 356 (2009); DOI: 10.1126/science.1166804
RK