18.07.2016

Langsames Dehnen der Kontinente

Kontinente zerbrechen in zwei Phasen mit drastisch unterschiedlichen Geschwindigkeiten.

Die Entstehungs­geschichte der heutigen Kontinente begann vor Hunderten von Millionen Jahren, als der Urkontinent Pangaea auseinanderbrach. Aus seinen Hauptbruch­stücken Gondwana und Laurasia entstanden die aktuellen Kontinente, die sich mit Geschwindig­keiten von 20 bis 80 Millimetern pro Jahr bewegen und die heutige Platten­tektonik charakterisieren. Das Auseinander­brechen von Kontinenten ist immer noch nicht vollständig wissenschaftlich geklärt. Ein neues Forschungs­ergebnis zeigt nun, dass die Kontinente sich an den Bruch­stellen zunächst langsam dehnen, sich dann aber bei Einsetzen des Zerreißens sehr schnell auseinander bewegen. Dabei kann die Geschwindig­keit bis zu 20-fach schneller sein als in der ersten, langsamen Dehnungs­phase.

Abb.: Beschleunigung Südamerikas während der Trennung von Afrika. In wenigen Millionen Jahren steigt die Geschwindigkeit des Kontinents von 7 auf 40 Millimeter pro Jahr. (Bild: S. Brune, GFZ)

Diese Zeiten und Geschwindig­keiten sind jedoch geologisch zu verstehen. Kontinente zerbrechen innerhalb von Millionen von Jahren und driften einige Zenti­meter pro Jahr. So trennte sich Südamerika von Afrika über einen Zeitraum von rund 40 Millionen Jahren. Der Trennungs­prozess begann dabei vor rund 150 Millionen Jahren, wobei die beiden tek­tonischen Platten­teile sich zunächst nur mit 5 bis 7 Millimetern pro Jahr auseinander bewegten. Dadurch wurde die Erdkruste gedünnt und es kam zur Bildung eines Beckens. Noch bevor sich die beiden Kontinente trennten, nahm die Dehnungs­geschwindigkeit um das Sechsfache auf rund 40 Millimeter pro Jahr zu. Heute treiben Afrika und Südamerika jährlich mit etwa 35 Millimetern pro Jahr auseinander.

„Man muss sich das vorstellen wie einen Seilriss beim Tauziehen“, erklärt Sascha Brune vom Deutschen GeoForschungs­Zentrum GFZ. „Das Seil beginnt erst sehr langsam und unmerklich zu reißen, aber der Riss der letzten Seil­fasern geht dann sehr plötzlich.“ Zusammen mit Kollegen von der Uni­versität Sydney hat der GFZ-Wissen­schaftler völlig verschiedene Rift-Zonen untersucht und überall an diesen Kontinent­bruchstellen festgestellt, dass der Trennungs­prozess stets in diesem Zwei-Phasen­modell ablief: „Am drama­tischsten war das bei der Trennung von Nordamerika und Afrika“, so Brune. „Vor 240 Millionen Jahren begann das Auseinander­driften, zunächst ganz langsam mit nur einem Millimeter pro Jahr.“ Vor 200 Millionen Jahren dann beschleunigte sich dieser Prozess um das 20-fache.

Abb.: Die Geschwindigkeit von Erdplatten steigt rapide wenn Kontinente sich teilen. Der Grund ist, dass die Plattengeschwindigkeit von der Stärke der Riftzone abhängt. Diese nimmt während der Dehnung abrupt ab - wie bei einem zerreißenden Seil. (Bild: S.Brune, G. Schwalbe, S. Riedl / GFZ)

Interessant ist, dass die Beschleu­nigung des Rifting typischerweise etwa zehn Millionen Jahre vor dem eigent­lichen Zerreißen der Kontinente einsetzte, sei es bei der Trennung von Australien und Antarktika, Nordamerika und Grönland, Afrika und Südamerika, im Nord­atlantik oder im Süd­chinesischen Meer. Des­wegen sind die neu entstandenen Kontinent­ränder entscheidend durch beide Ge­schwindigkeits­phasen geprägt: Zuerst entstanden bei langsamer Dehnung die Schelf­regionen, die sich heute in Küstennähe unter dem Meeres­spiegel befinden. Die weiter außen liegenden Teile des Kontinent­randes wurden anschließend mit großen Verwerfungen und stärkerem Vul­kanismus bei schneller Rift­geschwindigkeit gebildet und finden sich im küsten­ferneren, tiefen Ozean.

Aus den Ergebnissen der Geo­forscher ergeben sich Konsequenzen für die Theorie der Platten­tektonik: die heutigen Bewegungen der tektonischen Platten werden dominiert durch das Abtauchen und die Kollision von Platten und durch die Strömungen des tiefen Erdmantels. Während des Auseinander­brechens von Kontinenten jedoch kommt es zu Platten­beschleunigungen, die durch die Schwächung des Kontinents selbst und nicht vorrangig durch Prozesse im tiefen Erdinnern gesteuert werden.

GFZ Potsdam / JOL

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